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Uwe Tellkamp: Das Atelier

Uwe Tellkamp: Das Atelier

Uwe Tellkamp: Das Atelier. 112 S.

Bei der öffentlichen Wahrnehmung eines Buches kommt es ja nicht bloß darauf an, was einer schreibt, sondern wer schreibt und in welchem Zusammenhang. Wenn Uwe Tellkamp einen Essay in einer Reihe veröffentlicht, die »Exil« heißt und im Verlag des »Buchhaus Loschwitz« erscheint, (der, wie Der Freitag schreibt, »gute[n] Stube des rechtsintellektuellen Pegida-Umfeldes«), ist das zwar keine Überraschung, aber allemal eine Provokation. Um es gleich zu sagen: Tellkamp erfüllt alle Erwartungen und enttäuscht zugleich – indem er sie erfüllt. Worum geht es in »Das Atelier«? Die Handlung besteht im Wesentlichen darin, dass der Schriftsteller Fabian die Maler Martin Rahe und Thomas Vogelstrom besucht und sich mit ihnen über ihre Kunst unterhält – und deren Bedrohung, »wenn«, wie es im Klappentext heißt, »sie und der Künstler in die Mühlen der Politik und der Ideologen geraten«. Wer sich hinter den Figuren verbirgt, ist nicht schwer zu erraten: Fabian ist Tellkamp selbst, Rahe und Vogelstrom sind die Maler Neo Rauch und Axel Krause. Rauch stilisiert sich gerne einmal als Ernst Jünger (dessen Werke Fabian auch in dessen Atelier entdeckt), und Krause ist 2018 aus seiner Leipziger Galerie geflogen, weil er die Einwanderungspolitik der Regierung kritisiert hatte und aus seiner Sympathie für die AfD keinen Hehl macht. Zuerst trifft Fabian den schneidigen Rahe und lässt ihn allerlei über Krieg, Disziplin und das »Soldatentum« schwadronieren. Im Anschluss ballern die beiden bumsfidel mit einer Luftpistole auf Zielscheiben, denen Rahe die Gesichtszüge seiner Lieblingsfeinde verpasst hat. So kommt man sich näher. Da bleibt auch ein kleiner Schwanzvergleich nicht aus: Rahe zeigt Fabian seine Uhr, eine Tissot. »Blickt auf meine Glashütte Senator Navigator, es folgt ein Uhrenvergleich mit leicht albernem Anstrich (aber wozu trägt man eigentlich gute Uhren, wenn man nie nach ihnen gefragt wird?), das ist so ein kleines, in eine andere Domäne versetztes Männerspiel.« Beiläufig kriegt auch der kreuzer auf die Mütze: »Rahe erzählt von einer Kampagne der anderen zeitung gegen ihn. Ob er denn so etwas lese, frage ich, er kenne doch sicherlich das Wort von Karl Kraus: nicht einmal ignorieren. Das Problem sei, erwiderte Rahe, daß man von mehr oder weniger wohlmeinenden Menschen auf derlei Artikel angesprochen werde und sich verhalten müsse.« Der kreuzer ist aus der Kulturbeilage von Die Leipziger andere Zeitung (DAZ) hervorgegangen. 2018 hatte im kreuzer-Interview der Kunstwissenschaftler Wolfgang Ulrich Rauchs Ansichten als »rechtsromantisch« bezeichnet. Vogelstrom indes gibt sich noch um einiges exzentrischer als Rahe. In einem nicht enden wollenden bernhardesken Redeschwall klagt und schimpft er: gegen Kunstmessen (»Kunstaussaugemaschinen«), Kunstprofessoren (»Kunst-Sparschweine, Kunst-Lumpen, Kunstgesindel!«) und Kritiker (»Mattschädel«, »Beschränkt-Pflaume«). Als das Gespräch auf das Gemälde »Ausbruch des Vesuvs« von Johan Christian Clausen Dahl kommt, überlegt Vogelstrom: »ob der Vesuv in anderer als rein geologischer Form ein Dresdner Vulkan sei und auch ein Herculaneum und Pompeji unter sich begraben habe; im Jahr Fünfzehn habe es gerumst, das Dunkelding sei ausgebrochen mit Folgen für die ganze Republik, vielleicht der Vesuv von Dresden nur ein gerade offener Schlot, einer von vielen im ganzen scheinbar so beruhigten Land, doch anderswo womöglich das Deckgebirge über den Schloten stärker, der Unmut als Magma weniger druckvoll, wer wisse das schon.« Gewiss ist es bedenklich und, ja, um ehrlich zu sein, auch niederträchtig, wie hier der Ausbruch von Fremdenhass als Naturereignis erklärt und zugleich literarisch veredelt wird. Mindestens ebenso peinlich wirkt aber die aufgeblasene Wehleidigkeit, mit der diese selbst ernannten Widerstandkämpfer, Rahe, Vogelstrom und auch Tellkamp, sich als Opfer einer vermeintlichen Meinungsdiktatur aufspielen, denen letzten Endes nur die innere Emigration bleibe. Wir kennen diese Erzählung zum Überdruss, und durch Wiederholung wird sie nicht wahrer. Davon abgesehen: »Wir werden alle nicht Ernst Jünger«, wie es bei Susanne Blech heißt. Wer sich für elitäres Einzelgängertum und Künstler-Soldaten begeistert, hält sich doch besser an das Original als an dessen nassforsche Epigonen. Christfried Jeremias


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