Ätna
Lucky Dancer
Lucky Dancer
Wie eine gut geschriebene Kurzgeschichte verliert das dritte Studioalbum des Dresdner Duos Ätna keine Zeit mit einer Exposition: Ein knackiger Percussion-Part, eine Stimme, die kurz wie eine Schallplatte hängt – und schon nach sieben Sekunden entsteht das Gefühl, im ersten Refrain des Albums zu sein. Das Streichorchester klingt episch, wie sich das gehört, und die Stimme schraubt sich in hymnische Höhen. Dass mit dem Lied »My Fist high« auch noch des Freiheitskampfs iranischer Frauen gedacht wird, gibt den Ton und die Richtung des Albums vor: Texte zum Nachdenklich-aus-dem-Fenster-Starren, Musik für die Diskothek am Ende der Zeit.
Sphärisch oszillieren die Klänge, verspielt treiben die Basslines, zwischendurch knurpsen Schritte durch den Waldboden in die Ohren. Von lediglich melodiös aufgepeppter elektronischer Tanzmusik ist »Lucky Dancer« so weit entfernt wie ein lauwarmer Drückkannenkaffee von einem frisch gebrühten italienischen Espresso. Hier und da hätte etwas weniger Autotune Inéz Schaefers Gesang gutgetan, doch dieser Eindruck tut dem Gesamterlebnis keinen Abbruch. Das letzte Lied »All that I am« geht musikalisch und inhaltlich noch einmal in die Vollen: Es entstand für das Me-Too-Theaterstück »Noch wach?« am Hamburger Thalia-Theater und behandelt wie ebenjenes die leider immer noch meist oberflächlichen Bewertungsmechanismen der Gesellschaft und die Selbstliebe als möglichen Umgang damit.
Somit endet diese Kurzgeschichte ähnlich gesellschaftlich relevant und musikalisch hymnisch, wie sie eine knappe halbe Stunde zuvor begann. Martin Burkert