Angela Saini
Die Patriarchen. Auf der Suche nach dem Ursprung männlicher Herrschaft. Aus dem Englischen von Simoné Goldschmidt-Lechner. München: Carl Hanser 2023. 349 S., 25 €
Angela Saini.
Das Patriarchat wirft Fragen auf, die in jüngster Zeit viel diskutiert werden: Wie kommt es etwa zu patriarchalen Verhältnissen, wenn doch steinzeitliche Gemeinschaften wohl egalitär waren? Warum
ist das Patriarchat so langlebig? Die Antworten auf diese Fragen sind so vielfältig wie die Zahl der menschlichen Kulturen auf der Erde, wie Angela Saini darlegt. Gerade bei der Interpretation archäologischer Funde ist Vorsicht geboten. Forschende unterliegen nicht nur ihren eigenen
Vorurteilen, sondern archäologische Funde deuten auch häufig nur auf einen Bruchteil der Lebensrealität ihrer Zeit.
Liegt eine Stärke von Sainis Buch darin, diese Vorsicht walten zu lassen, so bleibt das Buch systematisch ein Flickenteppich. Weder vermag es, historische Verläufe ausgehend von einem – hypothetischen – Anfang des Patriarchats in einer Weltgegend stringent zu skizzieren. Noch gelingt es ihm, das fortwährende Entspringen patriarchaler Gesellschaften überall auf der Welt zu erklären. Methodisch scheitert Saini an ihrem Anspruch, nichts weniger als die ganze Zeit und die ganze Welt im Blick zu behalten. Das Buch umspannt von der Steinzeitsiedlung Çatalhöyük bis zur iranischen Revolution rund 10.000 Jahre und von den nordamerikanischen Haudenosaunee über die westafrikanischen Ashanti bis zu den Minangkabau in Südostasien – mit Ausnahme Australiens – alle Kontinente.
Trotz Sainis kosmopolitischen Wissens und ihrer bewundernswerten Sensibilität für Vielfalt hinterlässt das Buch Ratlosigkeit. Die grundlegenden Fragen bleiben so zurück, wie sie auftauchen: »Wie ist es möglich, dass Frauen so hart für Veränderungen kämpfen […] und sie trotzdem nicht erreichen? Was macht die Stärke genau dieser Form der Unterdrückung aus?« Fabian Schwitter