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Anne Tyler

Anne Tyler

Drei Tage im Juni. Roman. Aus dem Amerikanischen von Michaela Grabinger. Zürich: Kein & Aber 2024. 208 S., 23 €

Anne Tyler.

Ein ganzes Eheleben auf nur 200 Seiten zu erzählen, unterhaltsam und im Ton ebenso liebevoll wie nüchtern: Die amerikanische Autorin Anne Tyler kann so was. Ihre Heldin in »Drei Tage im Juni« ist Gail, Anfang sechzig und Mutter von Debbie, die in diesen Tagen heiratet. Anlässlich der Hochzeit reist Max an, Debbies Vater, von dem Gail seit vielen Jahren getrennt lebt. Im Gepäck bringt er außerdem eine Katze aus dem Tierheim mit. Da Gail die Einzige ist, die auf die Schnelle Platz für die beiden hat, ziehen sie für drei Tage bei ihr ein. Die spröde, stets skeptische Gail ist nicht begeistert. Sie mag Max ja, er geht ihr nur auf die Nerven. Weil er das Leben leichtnimmt, während sie vor allem Probleme sieht. Sie mag auch Katzen, aber warum sollte sie deshalb eine bei sich aufnehmen? Die drei Tage, von denen Tyler hier erzählt, umfassen eine Beinahe-Kündigung, einen Schockmoment für die Braut, die Hochzeit selbst und eine längst überfällige Beichte. Die Ereignisse klingen dramatisch, vollziehen sich jedoch fast beiläufig. Die Autorin konzentriert sich vorrangig auf das ganz normale Leben zweier durchschnittlicher Erwachsener und legt so, Schicht für Schicht, das Besondere ebendieser beiden frei: eine stille Zuneigung, die sich Gail und Max über die Jahrzehnte hinweg bewahrt haben, unabhängig von den wechselseitig zugefügten Verletzungen. Diese zurückhaltende, aber spürbare Zuneigung trägt beim Lesen durch das Buch; ein starkes Band der Hoffnung in einer oft hoffnungslosen Welt. Am Ende ist man verliebt in dieses nicht mehr junge Immer-noch-Ehepaar. Und in die Katze. Andrea Kathrin Kraus


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