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Blai Bonet

Blai Bonet

Das Meer. Aus dem Katalanischen von Frank Henseleit. Köln: Kupido 2021. 273 S., 27,80 €

Blai Bonet.

In diesem Jahr ist erstmals eine deutsche Übersetzung von Blai Bonets 1958 erschienenem katalanischem Roman »El Mar« veröffentlicht worden, und schon nach den ersten Seiten fragt man sich: Warum zur Hölle erst jetzt?! Vielleicht eine Bestätigung des kulturpessimistischen Gejammers jener Miesepeter, die in Anbetracht des massenhaft verlegten und rezipierten Schnotters an zeitgenössischer Popliteratur lieber zu den Klassikern aus einer idealisierten Vergangenheit greifen, als die kulturindustrielle Gehirnwäsche noch keine totalitäre Reichweite hatte? Mag sein. In jedem Fall aber wird uns ein Meisterwerk geschenkt, das man unbedingt lesen sollte und immer wieder lesen möchte. Etwas ganz Großes, bei dem der Vergleich mit Pasolini oder der radikalen französischen Literatur durchaus angemessen ist – hier scheint eine Qualität des Heiligen auf, die nichts mit der armseligen Bigotterie der institutionalisierten Religionen zu tun hat. Im Rausch der Lektüre erlebt man in einem der Zeit enthobenen Anti-»Zauberberg« Leiden und Sehnsüchte schwer kranker Jugendlicher in einer mallorquinischen TBC-Klinik während der faschistischen Okkupation. Diese siechen körperlich dahin, ersticken an ihren psychischen Traumata, versuchen im fiebrigen Delirium Gott, ihre Schuld, den Schmerz, das Leben und den Tod zu ergründen, aber zugleich bemerken sie auch ihre heranwachsenden Körper und kommen sich erotisch näher. Nichts ist dabei klar, die außergewöhnliche Sprache überwältigt mit poetischen Landschaftsbildern, dunklen Rückblicken, erratischen Spekulationen und opaken inneren Monologen, in der sich eine ekstatische Intensität verdichtet, die am Kern der Existenz rührt. Thorsten Bürgermann


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