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Das Kinn

Das Kinn

Ruinenkampf

Ruinenkampf

»Toben Piel geht gern auf Friedhöfe. Orte der Ruhe und Idylle.« – Mit diesen Worten beginnt der Pressetext zu Piels aka Das Kinn erstem Studio-Album »Ruinenkampf«. Allerdings: Nach Ruhe und Idylle klingt hier erst mal gar nichts. Wer sich vorher schon mit dem Schaffen des Ein-Mann-Elektro-Punk-Projekts beschäftigt hat, wird kaum überrascht sein. Schon auf den früheren EPs hat Piel den düsteren Post-Punk und maschinellen Synthie-Sound der Achtziger übernommen und daraus seine eigenen übersteuerten, verschobenen und äußerst faszinierenden Soundlandschaften gebaut. Daran anschließend klingt nun auch »Ruinenkampf«, als hätten sich DAF mit Steroiden vollgepumpt und ihre Musik an der Hantelbank komponiert. Oder als hätten Kraftwerk ihr Debüt-Album im Schützengraben unter feindlichem Beschuss aufgenommen. Das Ganze hat etwas sehr Brachiales und Martialisches, nicht zuletzt wegen Piels bissigem und parolenhaftem Sprechgesang. Mit Textfetzen, die bestens in expressionistischen Gedichtbänden stehen könnten, aber genauso gut in unsere aktuellen zwanziger Jahre passen: »Bizeps Trizeps, alle rüsten auf« oder »Volk, Scheiße, Erlösung«. Das könnte nun Gefahr laufen, voreilig als stumpfe Aggro-Elektronik oder plumper Testosteron-Post-Punk abgetan zu werden – was dem Album allerdings Unrecht tun würde. Denn trotz allem sind die Stücke sehr durchdacht arrangierte, zuweilen filigran gearbeitete Klangkunstwerke, mit verspielten Synthies, komplexen Drum-Machine-Beats und – wie im als Verschnaufpause äußerst wichtigen Stück »Souterrain« – sogar mit romantischen Saxofon-Melodien. Und die verbreiten dann zumindest kurz doch noch so was wie Ruhe und Idyll. Yannic Köhler


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