Diensthund
Horizont aus Draht
Horizont aus Draht
Knapp elf Minuten braucht der Diensthund, um einmal die volle Distanz zu rennen. Weniger poetisch ausgedrückt: »Horizont aus Draht« ist sehr kurz, dafür gibts voll in die Fresse. Wer hier aber klassischen Connewitzer Knüppelgrölpunk erwartet, ist schief gewickelt, denn der
Sound der Leipziger Band ist deutlich näher an The Slits und den Talking Heads als an Schleimkeim (wobei die aus Stotternheim sind). Keiner der Songs überschreitet die drei Minuten, die meisten pendeln sich bei um die anderthalb ein, dennoch hat man hörbar Wert auf einen seriös gemischten Klang gelegt: Die Drums sind knackig und präsent, die Vocals an Stellen, an denen es sich lohnt, gut zu verstehen, Gitarre und Bass grenzen sich schneidend
klar voneinander ab, anstatt genretypisch zu vermatschen. Die Aggression vermittelt sich hier nicht per durchgetretenem Zerrpedal, sondern durch die irren, punkuntypischen Schlenker, welche die Gitarre spielt, außerdem natürlich durch die im Stil der späten Siebziger herausgebellten Texte (»Der Opa bei der Wehrmacht / der Job was mit Kultur«, »Das Bratenthermometer auf 88 Grad«). Meistens schnell, manchmal schleppend, immer hellwach
und mit einer klaren Haltung in Stil und Inhalten beweisen Diensthund mit »Horizont aus Draht«: Man kann eben Faschos aufs Gesicht steigen und trotzdem Ästhet sein. Kay Schier