Abseits von den Pfeilern der Leipziger Hochkultur hat sich Andreas Mitschke, Kantor an der Taborkirche Kleinzschocher, eine musikalische Nische eingerichtet, die längst weit über Leipzig hinaus strahlt: die Musik der Aufklärung, die zeitlich in die Spätphase von Bachs Thomaskantorat und in die nachfolgende Generation fällt. Im März 2020 lag ein Passionsoratorium des oft vergessenen Bach-Sohns Johann Christoph Friedrich (des »Bückeburger Bachs«) auf den Pulten – doch auch diesem Projekt machte Corona einen Strich durch die Rechnung: Die Idee blieb, das Werk aber wurde getauscht: Nun liegt eine hörenswerte Einspielung des nur knapp einstündigen Oratoriums »Die Auferweckung des Lazarus« vor, das 1773 als kongeniale Gemeinschaftsarbeit des Komponisten mit dem Aufklärer Johann Gottfried Herder entstand. In den Händen des jungen Gellert-Ensembles blüht diese Musik regelrecht auf und widerlegt das immer wieder zu lesende Vorurteil, der Bückeburger Bach sei der Konservativste im Quartett
der komponierenden Bach-Söhne gewesen. Was hier zu hören ist, ist »Sturm und Drang« vom Feinsten! Hagen Kunze