Konstantin Gropper, der Kopf hinter Get Well Soon, hat während der Pandemie mit Schrecken festgestellt, dass er Optimist ist. Und das hört man seinem neuen Album »Amen« an. In der Ouvertüre wird gleich klar, was Gropper vom Versinken in Melancholie und Selbstmitleid
neuerdings hält: nämlich nichts. Genervt scheint er vor allem von sich selbst zu sein. In gewohnter Manier singt er sein Klagelied und wird prompt von einem mehrstimmigen Chor abgemahnt: »Stop
your whining, you are alright.« Nur konsequent, dass der Song von einer Computerstimme mit: »This is an intervention« angekündigt wird – gegen den Weltschmerz in einer zunehmend düsteren Welt. Im Gegensatz zu früheren Alben fallen Tempo, Rhythmik und Energie der Lieder auf. Mit feuerwerksartig explodierenden Momenten reihen sich wuchtige Indie-Elegien zu einem abwechslungsreichen Kunstwerk aneinander. Mit »I Love Humans« liefert Gropper eine ambivalente Liebeserklärung an die Menschheit mit all ihren Verfehlungen. »One For Your Workout« handelt vom gesellschaftlichen Selbstoptimierungszwang, der schnell in Selbsthass
umschlagen kann: »It’s a steep route up to the top shelf / Relax, erring and failing’s fine / just fail your best next time / It’s not good enough / never enough for them.« Auch musikalisch werden neue Pfade zwischen Elektro, Dance und Pop betreten – Arcade Fire trifft Pet Shop Boys und Beatles. Die schnellen 80s-Beats und funky Disco-Ästhetik von »My Home Is My Heart« irritieren nur im ersten Moment. Denn Get Well Soon erfindet sich auf dem neuen Album durch die Überwindung des eigenen Images neu – und es funktioniert. Sarah Nägele