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Jane Campbell

Jane Campbell

Kleine Kratzer. Aus dem Englischen von Bettina Abarbanell. München: Kjona 2023. 190 S., 23 €

Jane Campbell.

Frauen altern anders als Männer, ältere Frauen sind als literarisches Subjekt unterrepräsentiert. Tauchen sie in Romanen und Kurzgeschichten auf, werden sie häufig stereotyp und unterkomplex dargestellt. Nicht so in »Kleine Kratzer«. Bei Erscheinen ihres literarischen Debüts war Jane Campbell 80 Jahre alt. In 13 Kurzgeschichten schreibt sie über Frauen ab 70, die ihrer Umwelt neu begegnen. Ihr Leben lang eingebettet in klassische heteronormative Familienstrukturen, wagen sie in den Geschichten den Auf- und Ausbruch. Alle sind sie Frauen, die sich zur Wehr setzen und selbst über ihr Leben bestimmen wollen, soweit es ihnen in den durch Familie und Gesellschaft beengten Strukturen noch möglich ist. In der Kurzgeschichte »Susan und Miffy« heißt es: »Die Lust eines alten Mannes ist abstoßend, aber schlimmer noch ist die Lust einer alten Frau. Das weiß jeder, Susan wusste es allemal.« Susan gelingt es, derart tief verankerte vermeintliche Gewissheiten zu überwinden. Im Pflegeheim wächst sie über ihre gelebten Erfahrungen hinaus, sprengt ihren vorgesehenen Rahmen – und verliebt sich in Miffy. Doch ihr Verliebtsein stößt auf Ekel. Das Nicht-Vorgesehene darf nicht sein, existiert für die anderen nicht. Aber das Glück hält sich für Susan bis zum letzten Atemzug. Campbells Texte nehmen unerwartete, jedoch stets glaubwürdige Wendungen, ihr Ton changiert zwischen Humor und Melancholie. Hier erobern und erhalten sich alte Frauen ihre Würde bis zum Schluss und zeigen, dass ein hohes Alter keineswegs unsere Gefühlspalette dezimiert – und auch nicht unsere Wünsche und Sehnsüchte. Suse Schröder


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