anzeige
anzeige
Johanna Weinhold

Johanna Weinhold

Die betrogene Generation: Der Kampf um die DDR-Zusatzrenten. Berlin: Ch. Links 2021. 238 S., 18 €

Johanna Weinhold.

»Gefühlte Härten« sind in einem Rechtsstaat nicht geregelt. Nicht nur deshalb haben 27 Berufs- und Personengruppen der ehemaligen DDR keinen Platz im westdeutschen Rentensystem. Die in Leipzig lebende Fachjournalistin Johanna Weinhold gibt den Betroffenen eine Stimme. Denn längst sind ihre Geschichten untergegangen in den ständig wiederholt kopierten Sachständen und Gutachten jahrelang geführter Prozesse auf unterschiedlichen Instanzen. Die betroffenen Personen waren nicht allesamt Systemnahe. Sie gehören zu den zehn Prozent der ehemaligen Arbeitnehmenden in der DDR, deren Ansprüche aus der freiwilligen Zusatzrente entweder ganz gestrichen oder mindestens erheblich gekürzt wurden. Dies betrifft unter anderem Balletttänzerinnen, Reichsbahner, Bergmänner, in der DDR geschiedene Frauen und ja, auch Mitarbeiterinnen des MfS. In Interessensgruppen kämpfen sie seit dreißig Jahren um Anerkennung. Weinhold gibt ausgewählten Vertreterinnen dieser betroffenen Gruppen das Wort. Ihr Sachbuch über »Die betrogene Generation« ist in großen Teilen ein Interviewband. Darin beleuchtet sie die Leben und einzelnen Schicksale exemplarisch und bringt deren Situationen klug und umfassend informiert auf den Punkt. Noch spannender wird es, wenn die Autorin mit dem Psychologen Michael Linden den Bogen zur heutigen Politikverdrossenheit schlägt und die auch in dieser Debatte vorherrschende posttraumatische Verbitterungsstörung thematisiert. Denn diese Anpassungsstörung, die sich auch dreißig Jahre nach der Wiedervereinigung in Wut, Frust und Radikalisierung niederschlägt, wird erwiesenermaßen transgenerational weitergegeben. Hier lässt sich nur hoffen, dass dieser Neuzugang in der Bibliothek des Deutschen Bundestages kein Platzhalter bleibt. Immerhin wurden dort im Mai 2021 Anträge zur Änderung des Rentenrechts schon wieder abgelehnt. Marcel Hartwig


Weitere Empfehlungen