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Jón Kalman Stefánsson

Jón Kalman Stefánsson

Dein Fortsein ist Finsternis. Aus dem Isländischen von Karl-Ludwig Wetzig. München: Piper 2023. 540 S., 25 Euro

Jón Kalman Stefánsson.

In einem Fjord im Norden Islands leben zwei Handvoll Menschen, die wir alle kennenlernen. Ausgehend von einem namenlos bleibenden Ich-Erzähler, der sein Gedächtnis verloren hat und mit einem teuflischen Gegenüber diese Geschichten vorantreibt. Da gibt es einen jungen Mann, der mit einer Schrotflinte auf LKWs geschossen hat und deshalb ins Gefängnis muss. Oder den alten Mann, der ohne Brille gefährliche Manöver am Steuer fabriziert. Oder die alte Frau, die von ihrer verstorbenen Nachbarin träumt und mit deren Botschaft bei diesem halbblinden Alten auftaucht und zur Bekräftigung ihrer Botschaft von den sexuellen Vorlieben des vormaligen Paares erzählt. Sex kommt sonst meist nur in der Fantasie der Figuren vor. Wir erleben einhundertzwanzig Jahre Fast-Liebesgeschichten, munter durch die Zeit gesprungen. Ein Pfarrer besucht eine Bäuerin, die überraschend einen Artikel über Regenwürmer geschrieben hat. Natürlich ist er verheiratet, und sie auch. »Sie tritt aus dem Haus, und es geschieht etwas mit der Welt, als sie lächelt.« Leider wird viel gelächelt im neuen Roman Jón Kalman Stefánssons. Verkorkste Liebesdramen ähneln sich – ein Sohn liebt wie einst sein Vater eine Frau, die bereits vergeben ist und ihre Familie nicht verlassen will – ein schmaler Rücken wird erneut bewundert oder mehrfach betont, eine habe Hände aus Licht, wie die andere das Lächeln, das die Welt verändert. Jón Kalman Stefánssons Romane waren bisher schon morbide, jetzt liefert er zu 500 Seiten Sehnsucht eine Playlist des Todes mit reichlich Refrains und Belehrung. Pétur, der Pfarrer, und Guðríður, die Hochlandfrau, sind das Liebespaar, bei dem man verweilen mag, mehr teilhaben wollte an ihrem heimlichen Glück und den wilden Ritten. Aber sie alle sind tot. Anne Hahn


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