Joshua Cohen
Witz. Aus dem Englischen von Ulrich Blumenbach. Frankfurt am Main: Schöffling & Co. 2022. 907 S., 38 €
Joshua Cohen.
Der Roman schildert das Leben Benjamins, dreizehntes Kind von Hanna und Israel Israelien aus
New York. Nach zwölf Töchtern wird er geboren: »voll ausgewachsen, und es ist ein Er, Israel hoch erfreut und der Junge mit einem Greinen, einem Bart und, was ist das denn, schon eine Brille.« Das 900-Seiten-Epos wirkt vor allem durch seine Mischung aus innerem Monolog, Wortspielen, Gedankensprüngen, Erinnerungen, eigenwilliger Grammatik und Gestaltung. Worum geht es? Ben, geboren am Schabbat, ist der einzige Überlebende der jüdischen Gemeinde, alle anderen sind Weihnachten verstorben. Er wird eine Art Messias wider Willen, ein verlorener Sohn, zieht als »Querwelteinreisender« und moderner Ahasver durch die USA, von der Ostküste bis in die »Stadt
der Engel« – das »GOttesgeflügel« – und über »Mormonia« wieder zurück nach New York. Wie Christus soll er geopfert werden: »Sein Blut muss vergossen werden, um den Durst der Massen zu löschen.« Cohen gibt keine chronologische Beschreibung der Reise, vielmehr eine eigenwillige jüdische Geschichte von »Palästigma« durch die USA, Europa und die Diaspora mit unzähligen Anspielungen auf »Polenland« und die »Vernichtungsfeuer« der KZ, auch literarische Bezüge
wie zu Shakespeares »Kaufmann von Venedig«, die »ershylockte Miete« und das verpfändete »Pfund Fleisch«. Die ausgeprägte Symbolik zeigt sich etwa in Benjamins immer wieder nachwachsender Vorhaut, seine Zunge wird als Reliquie verehrt. Eisige Kälte ist ein durchgängiges Motiv: Benjamin wandert durch eine »vereiste Wüste«, »Überall Kälte und kalte Dunkelheit,
stählerner Frost, eisernes Eis.« Das von der Kritik gepriesene Buch besticht auch durch die herausragende Leistung des Übersetzers Ulrich Blumenbach hinsichtlich Sprache und Stil, ist aber, ganz abgesehen vom Thema, keine Feierabendlektüre zur Entspannung. Joachim Schwend