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Joyce Carol Oates

Joyce Carol Oates

Babysitter. Aus dem amerikanischen Englisch von Silvia Morawetz. Hamburg: Ecco 2024. 623 S., 24 €

Joyce Carol Oates.

Norden der USA, weiße Oberschicht, Ende der Siebziger. Rollengemäße Ehe. Unschuldige Kinder. Philippina-Haushälterin. Ahnungslose Ehefrau, geschäftsuntüchtig, Opfer einer Vergewaltigung. Lügen zur Wahrung der Fassade. Erpressung. Suburbia kontaminiert von Sexualverbrechen. Mommys heile Welt zerfällt. Das unwahrscheinliche Happy End trotzdem zu erahnen. Nichts berührt das weiße Upperclass-Amerika. Weil Hannah, die weiße Ehefrau, die Affäre mit ihrem Vergewaltiger verheimlicht, wird ein unbescholtener Schwarzer von der Polizei als vermeintlicher Täter in Downtown Detroit erschossen. Das Stereotyp des afroamerikanischen Vergewaltigers weißer Frauen – bewaffnet, drogenabhängig – tut sein Übriges. Auch der Ehemann denkt so. Dem schwarzen Polizeiopfer gesteht Oates kaum mehr Sätze zu, als in dieser Rezension zu finden sind – eine Gestaltungsform, die in ihrer Realitätsnähe schwer zu ertragen ist. Derweil liefern die Kindsmorde eines rätselhaften Serienkillers, der »Babysitter« genannt wird, eine grausige Kulisse für das Mommy-Drama. Der Roman der aus einer Arbeiterfamilie stammenden Joyce Carol Oates entlarvt die Tragik einer Valium-Mommy aus den Suburbs ebenso wie die etablierten Frauenrollen und die Geschäfte der Oberklasse. Ohne Zweifel: ein Roman mit Präzision, Spannung und Sog. Dabei ist die US-Oberschicht eigentlich der geringste Teil der Welt und bietet wenig Projektionsfläche. Ob Oates eine andere Geschichte hätte erzählen können? Wenn ja, dann wahrscheinlich ebenso gekonnt. Fabian Schwitter


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