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Lea Ruckpaul

Lea Ruckpaul

Bye Bye Lolita. Berlin und Dresden: Voland & Quist 2024. 312 S., 24 €

Lea Ruckpaul.

Sich an Vladimir Nabokovs weltberühmter »Lolita« abzuarbeiten, aus der Perspektive von ebenjener fälschlicherweise zum Symbol der verführerischen Kindsfrau gewordenen Dolores zu erzählen statt aus der des Täters Humbert Humbert, kann das gelingen? Lea Ruckpaul, Schauspielerin und Autorin von szenischen Texten, wagt dies in ihrem Prosadebüt. Dolores hat bei ihr ihren Tod nur vorgetäuscht und kämpft noch als Erwachsene mit den Geistern der Vergangenheit. Sie erzählt aus der Perspektive der Frau, die sich erinnert, und zeitgleich aus der des Mädchens, das den Missbrauch erlebt hat. Das liest sich teils sehr drastisch, benennt klar, was passiert – der Übergriff eines Erwachsenen an einem Kinderkörper. In metaphernreicher Sprache lässt Ruckpaul, der man den Theater-Hintergrund anmerkt, Dolores wüten, sie verzweifeln, sie schließlich einen Ausweg in ein selbstbestimmtes Leben finden. Nicht immer gelingt dabei die zumindest anfängliche Parallelführung zu Nabokovs Geschichte, hier und da tun sich inhaltliche Lücken auf und man wünscht sich, Ruckpaul hätte sich schon früher selbstbewusst vom Original entfernt – etwa dann, wenn sie den eigentlich unzuverlässigen Erzähler Nabokovs in dessen Perspektive stützt, wenn sie schildert, wie Dolores ihn vor ihrer Abfahrt ins Sommercamp überfallartig küsst – und damit zumindest an dieser Stelle, sicher unbeabsichtigt, den Mythos der verführenden Kindsfrau eher untermauert als untergräbt. Das Untergraben des Mythos gelingt der Autorin jedoch insgesamt. Ihre starke, auch die Lesenden in ihrer Anklage nicht auslassende Sprache trägt den Text auch über die inhaltlichen Unebenheiten hinweg. Eva Burmeister


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