Manfred Krug
Ich beginne wieder von vorn. Tagebücher 2000–2001. Berlin: Kanon 2024. 272 S., 24 €
Manfred Krug.
Was waren das noch für wunderbare Jahre, als Manfred Krug (1937–2016) in verschiedenen Maskeraden
durchs Kino zog. Ich liebte ihn als Bauarbeiter, Mantel-und-Degen-Virtuosen, Klassiker-Interpreten. Später war er der Heiler der gebrochenen Herzen, wenn er reichlich verjazzt, gelegentlich nah am Schlager, von
den seelischen Schmerzen der Menschen zu singen wusste. Er schaffte es, in der DDR einer von uns zu sein. Ihm nahmen wir alle Figuren ab, egal ob er als Brigadier oder Husar auf der Leinwand erschien. Selbst seine Ausreise im Zuge der Biermann-Ausweisung 1976 nahmen ihm nur ganz überzeugte Genossinnen krumm, so genial war sein Spiel, so unwiderstehlich sein Lächeln.
Der Kanon-Verlag hat sich nun seiner Tagebücher angenommen, ediert und ausgewählt von Krista Maria Schädlich, enge Vertraute und Lektorin Krugs. Im Band 2000–2001, dem Abschluss der Trilogie, ist er auf der Höhe seines Schaffens, hat keinen Bock mehr auf »Tatort« und ähnlichen Fernsehquatsch und beginnt wieder zu musizieren. Obgleich ihm bei der Betrachtung alter »Tatort«-Folgen hin und wieder ein Tränchen der Rührung entfleucht, bleibt er hart und schart die Getreuen für neue Auftritte zusammen.
Nebenher schreibt er glücklicherweise Tagebuch und geht mit sich und der schnöden Welt ins Gericht. Seine Einträge sind witzig, bissig, respektlos und politisch. Dümmliche Promis werden lakonisch geteert,
verlogene Politiker nackig gemacht. Er kämpft gegen sein Übergewicht und ist lustvoll eitel, wenn er sich
in seiner ganzen schöpferischen Pracht übers Essen und die Liebe auslässt. Mal ist er ein Tor, mal patzig,
voll Schalk ist er immer, wenn er zum Stift greift. Ein lebensermutigendes Buch für Krug-Liebhaberinnen
und -Liebhaber. Frank Willmann