The Weeknd
Dawn FM
Dawn FM
The Weeknd schreibt seit über zehn Jahren im Prinzip immer wieder denselben Songtext, aber den kann er halt auch: »It’s 5 AM, I’m high again, and you can see that I’m in pain / I’ve fallen into emptiness, I want you ’cause we’re both insane«, heißt es in »Gasoline«, zack, da ist er, der Abgrund, schmalzig schmachtend einem verführungswilligen Gegenüber vorgetragen. Das ist kein Frank Ocean, aber lyrisch sehr effektiv, und allerspätestens seit »Blinding Lights« weiß man, dass
Abel Tesfaye kein fancy Kritikerliebling sein, sondern die Halbzeitshow des Super Bowl spielen will, was er mittlerweile auch getan hat. »Dawn FM« unterstreicht diesen Anspruch. Man muss neidlos anerkennen, dass es wohl keinen zweiten Act auf diesem kommerziellen Level gibt, der auf dem Weg dorthin seine eigene Musik so gekonnt und stilbewusst weichgespült hat. Bis auf das makellose Falsett erinnert hier wenig an den experimentellen R’n’B von früher, dafür hat er mit Tracks wie »How Do I Make You Love Me« und »Take My Breath« die Formel für epische
Dancefloor-Peitscher geknackt, die den Spagat hinbekommen, gleichzeitig nach Schulterpolstern unter weißen Jacketts im Trockeneisnebel und nach dem Hier und Jetzt zu klingen. Dem gegenüber stehen schamlose Ausflüge in die Niederungen des 80er-Jahre-Yuppie-Pops wie »Out Of Time« oder »Less Than Zero«, bei denen man sich nicht sicher ist, wo er damit hinwill, ob das als eine Art ironischer Metakommentar Assoziationen zu American Psycho bewusst hervorrufen soll oder ob es doch mehr darum geht, dass das im Spotify-Shuffle gut flutscht. Gefühlt ist beides wahr, in jedem Fall ist es konsequent gemacht. Das Album erlaubt sich zudem ein paar sympathische Schrulligkeiten wie einen durch fiktive Radioansagen etablierten konzeptuellen Anstrich, das als Song getarnte experimentelle Kurzhörspiel »Every Angel Is Terrifying« und diverse Spoken-Word-Auftritte von Jim Carrey, der ganz zum Schluss im A-b-a-b-Reimschema über persönliches Wachstum und (...) Kay Schier