»Reichsbürger«, BRD GmbH, Souveränisten: Bisher kannte diese Worte nur, wer sich intensiv mit dem Denken extrem Rechter und/oder Verschwörungstheoretikern beschäftigte – und staatliche Bedienstete vom Richter bis zum Gerichtsvollzieher, die immer wieder von jenen drangsaliert wurden, die fest davon überzeugt sind, Deutschland sei kein Staat. Es musste erst ein Reichsbürger 2016 einen Polizisten erschießen, bevor sich die Exekutive in der Pflicht sah. Zuletzt fanden Anfang April Razzien in drei Bundesländern bei Reichsbürgern statt: Verdacht auf Bildung einer terroristischen Vereinigung.
Tobias Ginsburg hat sich unter diese Menschen gemischt, die die Legalität der Bundesregierung verneinen, an eine Annexion durch die USA (zum Beispiel) glauben oder sich in direkter Rechtsnachfolge von Kaiser Wilhelm wähnen. Die Kopfgeburten, auf die der Autor stößt, sind befremdlich. Natürlich besucht Ginsburg das damalige Königreich Deutschland in Wittenberg – das selbst gekrönte Oberhaupt sitzt mittlerweile hinter Gittern. In der anfänglichen Tour de force durch reichlich verblendeten Verschnitt aus germanischer Medizin, Chemtrail-Angst, Illuminatenwarnung und dergleichen wird immer wieder deutlich: Verschwörungsgläubigen ist mit Rationalität nicht beizukommen.
So weit, so drollig. Doch Ginsburg belässt es nicht dabei. Er schaut, wo bei der AfD, sich als Bürgerbewegung sehenden Besorgtenkreisen und Querfrontprojekten wie der neuen Friedensbewegung Anknüpfungspunkte für das Denken von Reichsbürgern und braunen Esoterikern zu finden sind. Zusammen mit kleinen historischen Exkursionen zu Theosophie, Nouvelle Droite und Verfassungsverrenkern ergibt das eine gut informierende Lektüre. Dass Ginsburg seine Leser zu unterhalten versteht, ohne sich über seine Protagonisten lustig zu machen, ist ein weiterer Zugewinn. Und angesichts der vernebelten Weltbilder wahrlich keine kleine Leistung. Tobias Prüwer