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Adrienne Mayor

Adrienne Mayor

Der schlimmste Albtraum der Römer - Kenntnisreich und einfühlsam: Adrienne Mayors Mithridates-Biografie

Adrienne Mayor. 484 S.

Von einem Sachbuch zu behaupten, es lese sich »spannend wie ein Krimi«, ist nicht nur abgedroschen, sondern auch irreführend; viele Krimis sind nämlich stinklangweilig. Wären allerdings, umgekehrt, mehr Krimis und Romane so interessant, lehrreich und spannend wie die Mithridates-Biografie der Althistorikerin Adrienne Mayors aus Berkeley ... Aber lassen wir das, an dieser Stelle soll ja nicht genörgelt, vielmehr gelobt und frohlockt werden.Mithridates? Wer in Latein aufgepasst hat, erinnert sich - genau: Ciceros Rede »De imperio Cn. Pompei«. Aber genau da liegt das Problem: Was wir über König Mithridates VI. Eupator Dionysos von Pontos (132-63 v. Chr.) wissen, wissen wir hauptsächlich von seinen römischen Feinden, und für die war er der schlimmste Albtraum seit Hannibal. In drei - den Mithridatischen - Kriegen hat er sich dem Imperium widersetzt. Wieder und wieder hat die römische Kriegsmaschine seine multiethnischen Massenheere besiegt, aber Mithridates hat nie aufgegeben. Bis zuletzt (und Mithridates ist alt geworden) musste Rom seine Anschläge fürchten. Für die von den Römern geknechteten Völker Griechenlands und Kleinasiens dagegen war der hellenistische König offenbar ein Freiheitsheld, ja eine Erlösergestalt, eine Art Che Guevara des Altertums. Mithridates war, wie Mayor zugleich kenntnisreich und einfühlsam herausarbeitet, beides: Monster und Messias. Einerseits schreckte er vor Verwandtenmord und Genozid nicht zurück - in einer ebenso genial geplanten wie ruchlosen Aktion ließ er in Asien 80.000 Römer abschlachten -, andererseits war der Nachfahre Alexanders des Großen und des persischen Großkönigs Dareios I. ein hochkultivierter und hochgebildeter Mann, der 22 Sprachen beherrscht haben soll und nebenbei die Toxikologie, die Wissenschaft von den Giften und Gegengiften, begründet hat - nicht ohne praktischen Nutzen aus seinen Erkenntnissen zu ziehen. Vergleiche mit Gaddafi oder anderen zeitgenössischen Despoten und Terroristen, die gegen das »Imperium Americanum« kämpfen, verbieten sich also von selbst. Die antiken Superschurken hatten denn doch ein anderes Format. Olaf Schmidt


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