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Andreas Bernard

Andreas Bernard

Auf dem Gipfel der Selbstüberschätzung - Andreas Bernard stellt in »Vorn« den Journalismus an den Pranger

Andreas Bernard. 249 S.

Dass Medien sich nicht nur auf Bildblog selbst begutachten, gehört zum Wesen des Genres und wird oft als Schuss ins eigene Tor belächelt, ist aber als mediale Gegenöffentlichkeit unabkömmlich. Auch Andreas Bernard Autor und Redakteur des SZ-Magazins schaut in seinem Roman »Vorn« von draußen nach drinnen. Die FAZ warf ihm daraufhin vor, schon oft Gelesenes neu aufgeschrieben zu haben: den Redaktionsalltag, die eigene Sprache unter Journalisten sowie die so weit verbreitete Grundarroganz, mit der angeblichen Wahrheit gewappnet über die Welt zu urteilen, der man selbst plötzlich überlegen scheint. Recht hat die FAZ. Doch Bernard reflektiert sein eigenes Verhalten und erreicht so einen Zustand der Selbstkritik, der dem einen oder anderen Journalisten in jedem Fall guttun würde.Tobias Lehnert hat gerade sein Studium abgeschlossen, als er als Autor für das coole Magazin Vorn in die Welt der Medien einsteigt. Je mehr er schreibt, umso stärker entfernt er sich von seinem früheren Leben. Seine langjährige Freundin Emily, die er bei der Arbeit in einem Flüchtlingsheim kennenlernte, scheint plötzlich seinen Ansprüchen nicht mehr zu genügen. Er entdeckt seine Leidenschaft für Markenklamotten, die zufällig denen seiner Kollegen ähneln, und als er die Mädchen um sich herum nur noch nach ihrem Namen und ihrer Ponylänge beurteilt, ist er auf dem Gipfel der Selbstüberschätzung angelangt.Wer schon mal irgendwas mit Medien zu tun hatte, kennt das Dilemma, das der Autor beschreibt, auch wenn er dies weniger poetisch-fantasievoll als vielmehr journalistisch-nüchtern tut. So entblättert sich fast unmerklich die Tragik des Protagonisten, der sich in seinem Traumberuf selbst verliert und gleichzeitig die, die er liebt. »Vorn« ist Abrechnung mit einem Berufsmakel und Liebesgeschichte in einem. Rein autobiografisch ist der Roman nicht: Andreas Bernard begann seine Karriere bei der gedruckten Ausgabe des Jugendmagazins Jetzt in den 90er Jahren und ist im Gegensatz zu seinem Protagonisten dem Business bis heute treu geblieben. Interessant wäre zu wissen, wie es ihm jetzt bei der Süddeutschen ergeht. Claudia Euen


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