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Angelika Schett: Des Menschen Traurigkeit

Angelika Schett: Des Menschen Traurigkeit

Angelika Schett: Des Menschen Traurigkeit. 208 S.

Ein Plädoyer für die Traurigkeit verfolgt Angelika Schett mit »Des Menschen Traurigkeit«. In zwölf Interviews, unter anderem mit dem Philosophen Wilhelm Schmid, dem Leiter des Instituts für Sexualtherapie Heidelberg, Ulrich Clement, und dem Schweizer Professor für Theorie und Praxis des Theaters, Richard Emanuel Weihe, untersucht die Psychologin und Soziologin den Themenkomplex der Traurigkeit von unterschiedlichsten Gesichtspunkten aus. Gemeinsam mit den Gesprächspartnern spürt sie der Frage nach, welchen Stellenwert dieses Gefühl heute hat, wie Traurigkeit sich in der Jugend und im Alter auswirkt und ob Tiere Gefühle haben. Doch warum sollte man für dieses als defizitär verschriene Gefühl ein gutes Wort einlegen? Die verbindende These lautet, dass Traurigkeit – nicht zu verwechseln mit Depressionen – nicht nur völlig normal, sondern notwendig zur Entwicklung von emotionaler Tiefe, Empathie und Selbstreflexion ist und sogar förderlich für die Kreativität sein kann. Jedoch wird diesem Gefühl in der auf Produktivität und Lustgewinn ausgerichteten westlichen Spaßgesellschaft wenig Raum gelassen. Stattdessen wird mit allen Mitteln gegengesteuert – mit Konsum oder Medikamenten. Dass dieses gesellschaftliche Ideal eines erfüllten, dauerhaft glücklichen Lebens lediglich künstlich aufgeblasen, mit »Botox aufgespritzt«, sei, beschreibt der Psychologe Arnold Retzer. Die große Stärke des Buchs ist sein aktueller Bezug: Es geht um eine Verortung der Traurigkeit heute, um ihre Relevanz und Notwendigkeit. Durch die lockere Form der Expertengespräche entsteht ein spannendes, leicht verdauliches Gesamtwerk, das interessante Blickwinkel in sich vereint. Ebenfalls lassen sich daraus Konsequenzen für die eigene Lebensrealität ableiten. Erkennt man beispielsweise an, dass Tiere trauern können, wie kann man da noch Milch trinken – im Wissen, dass sie nur produziert werden kann, weil der Kuh ihr Kalb weggenommen wurde? Jana Nowak


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