anzeige
anzeige
Anke Stelling: Grundlagen-forschung

Anke Stelling: Grundlagen-forschung

Anke Stelling: Grundlagen-forschung. 191 S.

In Anke Stellings Erzählungen wird genau abgewogen. Erwartungen werden verglichen mit dem, was die Realität bereithält. Eine Möglichkeit wird gegen die andere gesetzt und Ängste werden gegen Hoffnungen gehalten. Ihre Protagonisten sind meist Frauen und Mütter in den mittleren Jahren. In einer Erzählung denkt eine Frau über ihre Jugend im letzten Jahrhundert nach, während der sogenannten sexuellen Revolution, um dann festzustellen, dass die sexuelle Freiheit noch immer ziemlich begrenzt ist. Denn auch jetzt folgen Attraktivität und Begehren den geltenden Schönheitsidealen. In einer anderen Erzählung wird eine Single-Frau von ihren Sehnsüchten und Selbstzweifeln so vereinnahmt, dass sie sich nicht traut, ein neues Leben anzufangen. In einer weiteren Geschichte gelingt bei einer Frau zwar die Familiengründung, aber auch hochschwanger stellt sie ihr Glück immer wieder in Frage. Wie kaum eine zweite Autorin verhandelt Stelling die Lebenswirklichkeit von Familien. Dabei geht es um Rollenbilder, die hinterfragt werden, und um Abstiegsängste. Ihr erster Erzählband versammelt Texte aus den letzten zwanzig Jahren. Einigen frühen Erzählungen merkt man die Lust am Experiment an – von denen nicht jedes glückt. In den späteren Texten wird der klarsichtige und ungeschönte Blick deutlicher, der auch ihre Romane auszeichnet. Wer »Grundlagenforschung« zur Hand nimmt, schaut einer Autorin zu, wie sie mit jeder Geschichte besser wird. Sandra, die Single-Frau, deren Verzagtheit gegenüber dem Leben sich immer mehr zur Nervosität steigert, traut sich zum Schluss doch und küsst einen Mann. Der allerdings weicht ihr geschickt aus und sie muss an ein Sprichwort ihrer schwäbischen Großmutter denken: »Am Schluss wird zsammazählt«. Ob die Nacht mit dem Mann am Ende als Plus- oder Minuspunkt in die große Rechnung eingehen wird, weiß sie allerdings auch nicht. Tino Dallmann


Weitere Empfehlungen