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Anna Mitgutsch

Anna Mitgutsch

Für immer verloren - »Wenn du wiederkommst« ist die Klage einer Überlebenden

Anna Mitgutsch. 272 S.

Jerome und die namenlose Ich-Erzählerin in Anna Mitgutschs neuem Roman »Wenn Du wiederkommst« vereinbaren einen Neuanfang. Doch ehe die beiden wieder zueinanderfinden, stirbt Jerome und hinterlässt eine Frau, die ins Bodenlose stürzt. Von ihrem Schmerz ebenso überwältigt ist Ilana, die gemeinsame Tochter der beiden. Während Ilanas Rolle als Trauernde klar gezeichnet ist - sie verliert den irdischen Vater-Schutz -, hat die Ich-Erzählerin nicht nur mit dem Verlust, sondern auch mit den Erklärungen gegenüber ihren Mitmenschen schwer zu kämpfen: Seit fünfzehn Jahren waren Jerome und sie offiziell kein Paar mehr, obwohl sie eigentlich nie ohneeinander waren. Jeromes jüdische Familie lehnte die Ich-Erzählerin ab, weil sie ihren eigenen Interessen und Neigungen folgte und viele Jahre für sich lebte, statt sich den herkömmlichen Rollenmustern zu unterwerfen.Unerbittlich schildert Mitgutsch das Trauerjahr ihrer Protagonistin, offenbart deren Verletzungen, die Einsamkeit und die vielen Zweifel. »Ich bekomme nicht genug davon, in den Krater zu starren, in dem meine Welt verschwunden ist«, erklärt sie während der Schiwa, der nach jüdischem Brauch siebentägigen Trauerzeit. Die Erzählerin zeichnet die Konturen ihres Mannes so scharf und detailliert, als schaue sie durch ein Mikroskop. Eine Folie für die einsame Welt, in der sich die Erzählerin nicht mehr zurechtfindet, bildet die Stadt Boston, in der sie ebenfalls nie heimisch geworden ist und die sie bis heute mit den Augen einer Fremden betrachtet.Mitgutschs kraftvolle Prosa erzeugt von der ersten bis zur letzten Seite mächtige Bilder, die den Leser manchmal dazu verleiten, mit den Worten der Autorin weiterzudenken - so als werde ihm Mitgutschs Geschichte regelrecht eingeimpft. Am Ende des Buches bleibt die Frage, ob die Liebenden tatsächlich wieder zueinandergefunden hätten oder ob nicht vielmehr der nahende Tod eine Vertrautheit entstehen ließ, die dauerhaft gar nicht lebbar gewesen wäre. Yvonne Strankmüller


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