Anna North
Die Gesetzlose. Aus dem amerikanischen Englisch von Sonia Bonné. Eichborn: Frankfurt/Main 2022. 335 S., 22 €
Anna North.
Eine Grippewelle rafft in Amerika Ende des 19. Jahrhunderts viele Menschen dahin, die Unfruchtbarkeit unter den Hinterbliebenen ist hoch. Entsprechend groß ist der gesellschaftliche Druck, der auf Frauen im gebärfähigen Alter lastet. Auch Ada bekommt ihn zu spüren. Mit siebzehn heiratet sie und ist eigentlich guter Dinge, doch die ersehnte Schwangerschaft lässt auf sich warten. Das Misstrauen der Menschen um sie herum steigt von Monat zu Monat, bis sie schließlich in den Verdacht der Hexerei gerät und fliehen muss. Nach einem Zwischenstopp im Kloster findet sie den Weg zur berüchtigten Hole-in-the-Wall-Gang, die auch hierzulande durch Westernfilme bekannt geworden ist. Kleiner Unterschied zum Original: Die Mitglieder der Gang sind allesamt Frauen. Der feministische Western ist ein bisher unterrepräsentiertes literarisches Genre. Die amerikanische Autorin Anna North nimmt sich dessen in ihrem dritten Roman »Die Gesetzlose« an. Sie erzählt vom Zusammenleben der Gang, die den Härten der Natur ebenso
ausgeliefert ist wie denen der Gesellschaft, die sie ausgestoßen hat. Trotz dieser Gemeinsamkeiten dauert es eine Weile, bis sich die Frauen zusammengerauft haben. Ein Überfall auf eine Bank soll schließlich nicht nur ihre materiellen Nöte beenden, sondern auch die Basis
für eine größere Gemeinschaft verfolgter Frauen bilden. North gelingt es, vor allem Adas Zeit mit der Gang lebendig zu schildern: Erlebnisse von Geborgenheit in einer Gruppe gehen nahtlos in existenzielles Ausgeliefertsein über – Erfahrungen, die Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht machen. Trotzdem ist es eine schöne Abwechslung, sich den »Wilden Westen« mal aus weiblicher Perspektive erzählen zu lassen. Andrea Kathrin Kraus