Audre Lorde
Sister Outsider. Essays. Aus dem Englischen von Eva Bonné und Marion Kraft. München: Hanser 2021. 256 S., 20 €
Audre Lorde.
Audre Lordes Texte kreisen um die vielen Gesichter der Unterdrückung, denn auch sie musste
die Erfahrung machen, dass es den Rassismus nach dem Civil Rights Act noch gab. Ebenso wenig war der Sexismus verschwunden. Die mannigfaltigen Proteste in den USA ebbten ab, Lorde aber sollte dem Kampf für die Freiheit aller ihr schriftstellerisches Leben widmen. In Briefen, Vorträgen und Texten adressierte sie schwarze Männer oder weiße Feministinnen, um
diese auf ihr Mitwirken an der Unterdrückung hinzuweisen. Denn es gibt – so Lorde – verschiedene Muster der Unterdrückung und sie wirken sogar zusammen. Erst, wenn man die Verschränkung der Macht begreift, könne man sich wirklich von ihr befreien.
Lorde appellierte dabei stets mit der Aufrichtigkeit der Mitkämpferin, die an grundlegendem Wandel interessiert ist. Als schwarze Lesbe, Dichterin, radikale Feministin, Mutter und Sozialistin schreibt und denkt Lorde multiperspektivisch. Zugleich sucht sie nach Vereinigung dieser Perspektiven. Die Ehrlichkeit ihrer Texte vermittelt, dass ihr das selbst nicht immer gelang. Gerade das macht aber die Herausforderung aus, die sie nie gescheut hat: das eigene Leben zu befragen und es gegebenenfalls zu ändern.
Eine Einladung zum Denken darüber, wie die eigene Identität oder das eigene Verhalten auf der Unterdrückung anderer beruht. Wie nur wenige andere macht Audre Lorde die Erfahrung der Mehrfachidentität in ihren Texten greifbar, und zwar schon vor 1989, als Kimberlé Crenshaw das Konzept der Intersektionalität einführte. Lorde denkt das Persönliche politisch, doch sie verzichtet beim Schreiben nicht auf Poesie, sondern nutzt diese explizit als Raum und Ausdrucksmittel. Wer sich mit dem Intersektionalismus beschäftigen will, wird Audre Lorde mit großem Gewinn lesen. Thore Freitag