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Benedict Wells

Benedict Wells

Vom Schreiben und Scheitern

Benedict Wells.

Eigentlich ist der 20-jährige Jesper Lier gar kein Spinner. Er hat nur den gleichen Traum wie jeder junge Mensch, der in sein eigenes Leben aufbricht: anders zu werden als die meisten und dabei seinen Idealen treu zu bleiben. Jesper möchte Schriftsteller werden. Nach dem Selbstmord seines Vaters ist er aus München nach Berlin geflüchtet, in eine Kellerwohnung, in der sich die Dusche »wie bei Arbeiterwohnungen am Prenzlauer Berg üblich« in der Küche befindet. Von dort aus stellt er sich den ganz alltäglichen Problemen seiner Generation: der Angst vorm Scheitern, dem Alkohol, seiner verständnislosen Familie und seinen wenigen sozialen Kontakten.Benedict Wells? zweiter Roman »Spinner« ist kein großes Drama, aber immerhin eine nette Geschichte mit vielen autobiografischen Bezügen zur Vita des Schriftstellers. Fast könnte der Leser Mitgefühl entwickeln für den jungen Protagonisten. Doch leider ergeht es Wells genau wie seinem Alter Ego: »Die wenigen Buchstaben [seiner] Tastatur reichen leider nicht aus, um das Gefühl zu beschreiben«, welches er zu transportieren versucht. Wells schreibt in einer saloppen Jugendsprache, die kaum Emotionen erwecken kann. Steigt der Leser bei der einen oder anderen gelungenen Metapher tiefer in die Geschichte ein, findet er sich kurz darauf in stumpfen Redewendungen wieder und nimmt sofort Abstand.Wells scheint das beim Schreiben selbst bemerkt zu haben, denn fast krampfhaft versucht er, seine Leserschaft in die Geschichte einzubeziehen. In der Rolle des jungen Jesper richtet er selbst das Wort an sie. Doch Ansprachen wie »ihr kapiert nicht«, »wenn es nach euch gegangen wäre« oder »ihr denkt sicher schon seit einiger Zeit« scheitern als lahme Unterstellungen, die selbst den aufmerksamsten Leser irgendwann ermüden. So bleibt »Spinner« eine nette Lektüre über das erste Scheitern eines jungen Menschen. Mehr als ein Schulterzucken kann sie dem Leser jedoch nicht abringen. Jana Heinicke


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