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Bergsveinn Birgisson

Bergsveinn Birgisson

Die Insel Kolbeinsey. Aus dem Isländischen von Eleonore Gudmundsson. Salzburg: Residenz 2025. 217 S., 26 €

Bergsveinn Birgisson.

Dieses Buch ist seltsam. Anfangs könnte man glauben, der Ich-Erzähler führe ein normales Leben, besuche lediglich seinen verrückt gewordenen Freund in der Klinik. Doch bald stellt sich heraus, dass das nicht ganz stimmt. Der Freund in der Psychiatrie hat ein verquollenes Gesicht, die Augen sind »vom Leiden ganz schwarz«, er beginnt zu schreien und eine Krankenschwester stürmt herein, wirft sich auf ihn, drückt ihn nieder. Er wird sediert und nun nimmt die Geschichte ihren Lauf: Der Mann, unser Erzähler, beschließt, seinen kranken Freund aus der Klinik zu entführen. Gespickt mit rätselhaften Schwarz-Weiß-Zeichnungen, Gedichten und nacherzählten Island-Sagas ist dieses Büchlein eine eigene, neu geschaffene Saga. Freund hilft Freund und beide werden verfolgt von Furie. Die Furie ist unerfreulicherweise die Krankenschwester und einzige Frau der Geschichte, was den Leserinnen bitter aufstoßen mag, denn die anfangs kurz eingeführte Freundin des namenlosen Ich-Erzählers verschwindet bald aus der Geschichte. So bleibt uns eine irre Verfolgungsjagd mit unterhaltsamen Episoden und einem wahrhaft unrealistischen Ende. Der 1971 in Reykjavik geborenen Forscher und Kenner altnordischer Literatur Birgisson veröffentlichte bereits mehrere Gedichtbände und Romane, zuletzt »Antwort auf den Brief von Helga« (Residenz-Verlag 2022). Für Birgisson-Fans ist der neue, in Island bereits 2021 veröffentlichte Roman ein Muss, für Einsteiger harte Kost – vielleicht sollte man vorher sein Debüt, den wunderbar zarten Liebesroman »Die Landschaft hat immer recht« lesen (aus dem Jahr 2003, deutsch 2018 ebenfalls bei Residenz), zusammen ergeben sie ein eiskristallscharfes Bild Islands. Anne Hahn


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