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Bernd Wagner: Die Sintflut in Sachsen

Bernd Wagner: Die Sintflut in Sachsen

Bernd Wagner: Die Sintflut in Sachsen. 432 S.

Am Ende tritt die Mulde doch noch über die Ufer, und so erfüllt sich in Wurzen im Kleinen, was der Titel als Großes ankündigt: »Die Sintflut in Sachsen«. Kein Kreis schließt sich. Denn die Geschichte beginnt mit einem Vorspiel in Berlin: Max Wagner schreckt immer hoch, wenn das Telefon klingelt – es könnte eine schlechte Nachricht sein. Eine ebensolche treibt ihn alsbald in sächsische Gefilde, weil die Mutter im Sterben liegt. Er zieht zeitweise wieder ins elterliche Haus. Zwischen den Besuchen im Krankenhaus schreibt er seine Lebensgeschichte auf, beginnend mit der eigenen Zeugung. Bernd Wagner lässt seinen Ich-Erzähler das Feld der Erinnerungen durchschreiten, die sicherlich mehr als autobiografische Färbung tragen. Die Frage stellt sich natürlich nicht, Werk und Autor sind nicht zu vermengen. Allerdings bleibt die Hauptfigur gerade angesichts der Anekdotenfülle seltsam leer. Die Kindheits- und Jugenderlebnisse, besonders die Beschreibungen des Handwerksbetriebs, sind ganz anschaulich geraten. Wagners Vater führt die Familienschmiede fort durch die DDR-Zeit, ohne kollektiviert zu werden. Der Handwerkeralltag aus einsilbigen Stunden und kleinen Highlights bietet interessante Einblicke. Die Sprünge in die Gegenwart – welche Frau hat Wagner gerade abserviert? Wem trauert er hinterher? – sind dagegen oft nicht recht nachvollziehbar, auch weil der Zeithorizont unterbestimmt bleibt. Auf die Länge von vierhundert Seiten erweist sich der zunächst angenehm unaufdringliche Erzählstil als ziemlich monoton. Bildwiederholungen schleichen sich ein; mehrfach ist zum Beispiel von Erfurt als »Blumenstadt« die Rede. Es fehlt einfach ein reflektierendes Element, das die Aneinanderreihung der Erinnerungen zusammenhält und dem Buch Tiefe verleiht. »Die Sintflut in Sachsen« ist kein übler Roman, aber die Lektüre verlangt schon eine gewisse Ausdauer. Und über diesen Mikrokosmos Wurzen und seine Entstehung hätten wir gerne mehr erfahren. Tobias Prüwer


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