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Bettina Hesse (Hg.): Die Philosophie des Singens

Bettina Hesse (Hg.): Die Philosophie des Singens

Bettina Hesse (Hg.): Die Philosophie des Singens. 272 S.

Philosophen haben sich, wenn überhaupt, des Themas Singen eher beiläufig angenommen. Erst Nietzsche (»Lerne singen, oh meine Seele«) wähnte im Gesang ein besonderes Ausdrucksmittel. Bettina Hesse, Autorin, Dozentin und außerdem sängerisch in verschiedenen Ensembles aktiv, versucht nun mit 21 Autorinnen, sich einer Philosophie des Singens anzunähern. Das geschieht, aus ganz verschiedenen Blickwinkeln und ein wenig unsystematisch, irgendwo zwischen Stimme und Laut auf der einen und Musik und Kunst auf der anderen Seite. Die Beiträge drehen sich um Aspekte von Stimme, Aufführung, Körperlichkeit und Gesang als Ereignis. Da Stimme die Voraussetzung fürs Singen ist, steht sie oft im Mittelpunkt, die Beiträge assoziieren zum existentialistischen (Ur-)Schrei des Babys, zur emotionalen Kraft von Musik oder zum Geräusch im Allgemeinen, was bisweilen zu weit vom Thema wegführt, etwa zum Summen im Bienenstock. Spannend sind dagegen die Einblicke über die kulturellen Grenzen des Gesangs hinweg, zu ukrainischem Obertongesang etwa, zu Flamenco, Parlando oder: zur Pause. Singen kann außerdem durch seine Performativität oder den Versammlungscharakter einer singenden Gruppe etwas Politisches anhaften – man denke an die singend herbeigeführte Unabhängigkeit von Lettland, Estland und ­Litauen oder den Maidan. Wenn allerdings ein Chor gehorsamst den Anweisungen von vorne folgt – im Dienst einer höheren Sache –, ist das Spiel mit der Doppeldeutigkeit der Wortgruppe die Stimme erheben eher platt als treffend. Ebenfalls platt sind die im Band hin und wieder anzutreffenden esoterischen Tendenzen, bei denen Singen als Brücke zur Selbsterkenntnis dient, wenn das singende Ich sich quasi mit sich selbst verbindet. Oder so. Dabei will sicher niemand das verbindende Element des Gesangs bestreiten, sei es beim heiligen Ritual oder eben im Chor.  Franziska Reif


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