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Bildungslücke: Folge 13 – Joachim Kupsch: »Don Juan in Leipzig« (1984)

Bildungslücke: Folge 13 – Joachim Kupsch: »Don Juan in Leipzig« (1984)

Bildungslücke: Folge 13 – Joachim Kupsch: »Don Juan in Leipzig« (1984). 156 S.

Eine anspruchsvolle, hochumstrittene Genre-Paarung ist es, an die sich der Leipziger Schriftsteller Joachim Kupsch (1926–2006) in seinem vorletzten Werk herangewagt hat: In »Don Juan in Leipzig«, 1984 erschienen, sollen Humor und Erotik aufeinandertreffen. Das Cover, auf dem sich zwei unergründlich lächelnde Figuren an die gnädig vom Waschzuberwasser bedeckten Genitalien fassen, macht alles andere als Lust, sich auf diesen Versuch einzulassen. Im Buch begegnen wir Leipzig einmal mehr als Schauplatz ausschweifender Orgien und ungebremster Exzesse. Eine Gruppe von Studenten, die ihre Quartiere vorübergehend den zahlungskräftigeren Messegästen überlassen mussten, vertreibt sich die temporäre Obdachlosigkeit in einem verfallenen Gebäude am ehemaligen Hotspot der Hemmungslosigkeit: der Funkenburg. Zwar hält sich die Clique dort mit einem Gemisch aus Nordhäuser Korn und Wermut ganz gut über Wasser, doch weil auch die Gespielinnen an die Messebesucher vermietet wurden (wie es nüchtern in einem Nebensatz heißt), macht sich bald schon Langeweile breit. Was läge also näher, als mithilfe einiger dahingemurmelter Verse aus einem mittelalterlichen Hexenwerk Don Juan und seine Entourage heraufzubeschwören, um sich wenigstens an ein paar Erzählungen zu laben, wenn sich schon keine Gelegenheit zu »praktischen Übungen« bietet? Was folgt, ist eine ausführliche Schilderung des ein Dutzend Damen umfassenden Liebesregisterauszugs, der auf Leipzig und Umgebung entfällt. Zu Wort kommt zunächst Diener Leporello, dann der Frauenheld selbst. In enervierend geschraubtem Ton verheddert sich die Erzählung in einem undurchdringlichen Geflecht aus Mozart-Referenzen, Faust-Zitaten und Pimmelwitzen. So tapfer wie leiderprobt liest sich die Leserin an den üblichen Riesenschwertern und -knüppeln, an zahllosen Grotten, Muscheln und Wäldchen vorbei – um dann, bereits sehnsüchtig die baldige Höllenfahrt herbeisehnend, tatsächlich noch mal überrascht zu werden: Als Dritte im Bunde erscheint Donna Elvira den Studenten, um erst mal kräftig über die Unkenntnis sämtlicher dichtender, komponierender und malender Männer herzuziehen, die sich des Stoffes in den letzten fünfhundert Jahren angenommen haben, und sich anschließend daranzumachen, ihre vermeintlich große Liebe als reichlich wahl- und geschmacklosen Hansel zu demaskieren. Nun, da die Hobby-Hexer ihr Macho-Vorbild derart »zur Lächerlichkeit demontiert« erblicken müssen, ist aller Zauber schlagartig erloschen. Beklemmt schleichen sie zurück in die wenig pralle Realität. So nobel Kupschs gleichberechtigendes Ansinnen auch sein mag: Das Buch ist heute, knapp 35 Jahre nach seinem Erscheinen, sowohl humoristisch als auch erotisch derart verstaubt, dass man erfreut feststellt, dass sich die Welt seit den achtziger Jahren auf beiden Gebieten doch ein merkliches Stück weitergedreht hat. Clara Ehrenwerth


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