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Bildungslücke: Folge 16 – Christian Reuter: »L’Honnête Femme oder Die Ehrliche Frau zu Plißine« (1695)

Bildungslücke: Folge 16 – Christian Reuter: »L’Honnête Femme oder Die Ehrliche Frau zu Plißine« (1695)

Bildungslücke: Folge 16 – Christian Reuter: »L’Honnête Femme oder Die Ehrliche Frau zu Plißine« (1695). 44 S.

Gründe dafür, ein Buch zu schreiben, gibt es viele – doch kaum einer dürfte so motivierend sein wie die liebe Rache. Das war schon Ende des 17. Jahrhunderts nicht anders. Als der Student Christian Reuter 1694 von seiner Vermieterin im »Rothen Löwen« am Brühl wegen Mietschulden vor die Tür gesetzt wird, revanchiert er sich mit dem kleinen gemeinen Lustspiel »L’Honnête Femme oder Die Ehrliche Frau zu Plißine«. Die Wirtin tritt hier unter dem Namen »Schlampampe« auf, die Töchter sind versoffen und gefallsüchtig, die Söhne dumm wie Stroh. Als zu Wohlstand gekommene Kleinbürger streben sie nach Höherem – und treten dabei munter nach unten. Der Bauernsohn Reuter gibt in seinem Stück den aufrichtigen Studenten Gelegenheit, sich mit einer harmlosen Intrige an der hochmütigen Sippschaft zu rächen. Weil er ahnte, dass die Spottschrift bei den Zensoren nicht besonders gut ankommen würde, veröffentlichte Reuter sie zunächst als Übersetzung eines französischen Dichters namens Hilario. Doch allzu deutlich schimmert die Pleiße durch den Titel, und auch sonst hat sich Reuter nicht allzu viel Mühe mit Verfremdungen gegeben. Kurz nach Erscheinen des Bändchens erhob denn die geschmähte Wirtin auch Klage gegen den leicht zu identifizierenden Verfasser. Reuter wanderte daraufhin in den Karzer – und nutzte die Zeit, um eine Fortsetzung des Stücks und einen Schelmenroman über den ältesten Sohn des Hauses zu schreiben. Dass »Die Ehrliche Frau zu Plißine« nie seinen Platz auf den Bühnen gefunden hat, liegt wohl nicht nur an den damaligen Zensurmaßnahmen. Die »Schlampampen«-Stücke sind barocke Sketche, über die sich die Zeitgenossen beömmeln konnten. Heute dürften sich nur noch Liebhaber historischen Humors daran erfreuen. Clara Ehrenwerth


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