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Bildungslücke: Folge 20 – Bruno Apitz: Schwelbrand (1984)

Bildungslücke: Folge 20 – Bruno Apitz: Schwelbrand (1984)

Bildungslücke: Folge 20 – Bruno Apitz: Schwelbrand (1984). 426 S.

»Henriette Bahlke stopfte und flickte wieder.« Nicht gerade ein Romananfang, der einen in ekstatische Vorfreude auf die restlichen 426 Seiten versetzt. Doch wenn man »Der Regenbogen«, den ersten Teil von Bruno Apitzʼ autobiografischem Projekt, gelesen hat (siehe kreuzer 11/2017), freut man sich tatsächlich über ein Wiedersehen mit den Bahlkes: Henriette, die toughe Arbeitermutter, und ihren jüngsten Sohn Arthur, der im »Regenbogen« vom wissbegierigen Knaben zum engagierten Kommunisten herangewachsen ist. Zuletzt hatten wir die beiden bei den Januarkämpfen am Leutzscher Bahnhof 1919 gesehen – im zweiten Band »Schwelbrand«, 1984 posthum erschienen, wird nun nahtlos weitergekämpft: Ausführlich werden die Leipziger Straßenschlachten in den Tagen nach dem Kapp-Putsch beschrieben. Spannender Stoff ist das, ebenso wie alles, was danach kommt – Inflation, Aufstieg der NSDAP, Reichstagsbrand. Leider wird die Geschichte derartig unterkomplex und einseitig erzählt, dass man schnell der ewig großherzigen Kommunisten überdrüssig ist, die das einzige Bollwerk der Vernunft gegen dauerbesoffene, dummdreiste Faschisten und – noch schlimmer! – die verräterischen Nicht-mehr-Genossen von der SPD sind. Auch eine Figur wie Henriette, im ersten Teil noch eine dreidimensionale Protagonistin mit Herz und Verstand, wird diesmal vom Erzähler nur noch zum Suppekochen und Sorgenmachen eingesetzt, bis sie in einem hanebüchenen Finale völlig aus dem Nichts ihren eigenen Enkel erschießt, um den Sohn zu schützen. Wolfgang Weiß, der auf der Grundlage eines nachgelassenen Gerüsts die fehlenden Kapitel des Romans fertigschrieb, gibt im Nachwort an, Apitz habe mit seinem Buch dazu beitragen wollen, »daß es nicht nochmal geschieht«. Leider hilft einem die »Schwelbrand«-Lektüre im Jahr 2018 bei diesem Vorhaben kein Stück weiter. Clara Ehrenwerth


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