anzeige
anzeige
Carl-Christian Elze

Carl-Christian Elze

Freudenberg. Berlin und Dresden: Edition Azur bei Voland & Quist 2022. 176 S., 20 €

Carl-Christian Elze.

Ein junger Mann, Freudenberg, befindet sich an der Schwelle zum Erwachsensein. Emotional entkoppelt, in sich selbst gefangen und sprachlos erlebt er das alltägliche Zusammenleben mit den Eltern. Am Horizont scheint ihn nichts anderes zu erwarten als Fremdbestimmtheit in Form bedrückender Zukunftspläne, die sein Vater für ihn bereithält. Nichts liegt ihm näher als der Wunsch, sich selbst und seinen Lebensumständen zu entkommen. Als Freudenberg beim Familienurlaub am Steilufer der polnischen Ostseeküste den leblosen Körper eines jungen Mannes findet, scheint die Gelegenheit günstig, die Identität zu wechseln, als ein anderer weiterzumachen. Jedoch ist es mit dem Kleidertausch nicht getan. Freudenberg kann sich nicht entkommen. Kurze Zeit später schon findet er sich unter noch bedrückenderen Umständen im Haus seiner Eltern wieder. Für die kurze Zeit des Selbstversuchs, des Dazwischens, entfaltet Elze ein fesselndes und sprachlich berührendes Intermezzo in haltlos fluktuierenden Bildern zwischen Traum, Realität, Möglichkeiten und Wunschdenken. Aufmerksame kreuzer-Leserinnen und -Leser kennen den Leipziger Autor nicht nur vom Gedicht des Monats im April 2022: Die »Zoogeschichten« des vor allem als Lyriker auftretenden Elze erschienen von März 2017 bis März 2018 monatlich im kreuzer, später auch als Buch »Oda und der ausgestopfte Vater«). Seine Faszination fürs Biologische hat auch in »Freudenberg« Spuren hinterlassen: Das sprachlose Wesen der Tiere scheint der Hauptperson näher als die Sphäre des Menschlichen. Verlorensein und verschwimmende Realitäten sind die Themen, die Elze anhand einer fesselnden Geschichte in seinem Romandebüt auf faszinierende Weise entwickelt. Anja Kleinmichel


Weitere Empfehlungen