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Colson Whitehead: Die Nickel Boys

Colson Whitehead: Die Nickel Boys

Colson Whitehead: Die Nickel Boys. 224 S.

Es ist einer jener ersten Sätze, die den Ton für ein ganzes Buch vorgeben: »Sogar als Tote machten die Jungs noch Ärger.« Die erwähnten Jungs saßen in der Besserungsanstalt Nickel ein, die es tatsächlich gegeben hat. Jahre nachdem die Anstalt geschlossen wurde, werden ihre Leichen am Rand des ehemaligen Geländes gefunden. Dort soll nun ein teures Büroviertel entstehen – und da stören die zufällig entdeckten Leichen gewaltig. Held dieser Geschichte ist Elwood Curtis. Elwood wächst bei seiner Großmutter auf, ist fleißig und vertraut darauf, sich mit harter Arbeit ein besseres Leben ermöglichen zu können. Als es ihn ins Nickel verschlägt, glaubt er noch für eine Weile, dass er sich auch hier mit Fleiß und Strebsamkeit aus seiner misslichen Lage befreien kann. Das Nickel gibt sich zwar nach außen als Besserungsanstalt, aber schon das Aussehen der meisten Jungs sorgt dafür, dass diese Fassade Risse bekommt. Er lernt die »Eiscreme-Fabrik« kennen, die eigentliche Erziehungsanstalt des Nickel. Hier werden die Jungs grün und blau geschlagen. Vieles an Whiteheads Roman erinnert an die sozialkritischen Romane von Charles Dickens oder die späten Romane von Philip Roth. Auch hier wird mit einem Blick in die Geschichte der Vereinigten Staaten viel über deren Gegenwart erzählt. Denn auch wenn seit Elwoods Zeit im Nickel Jahrzehnte vergangen sind, wird die Geschichte des Rassismus fortgeschrieben. Und sie wird selten so erfahrbar gemacht wie in Whiteheads jüngstem Roman. Das Buch zeigt eindrucksvoll, wie Rassenhass und Vorurteile in Institutionen einsickern. Unnötig zu sagen, dass die schwarzen Jungs in schlechteren Häusern untergebracht sind und schäbigere Kleidung tragen. Drinnen wie draußen sind sie der Willkür der Weißen ausgesetzt. Ein Handbuch mit Regeln für das Nickel soll es zwar geben, gesehen hat es aber noch niemand. Es existiert nur in der Theorie, heißt es an einer Stelle. Genau wie die Gerechtigkeit. Tino Dallmann


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