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Darja Serenko

Darja Serenko

Mädchen & Institutionen – Geschichten aus dem Totalitarismus. Aus dem Russischen von Christiane Körner. Berlin: Suhrkamp 2023. 192 S., 23 €

Darja Serenko.

Viele ärgern sich dieser Tage über das Verhalten eines gewissen Machthabers in der östlichsten Gegend Europas – oder beschäftigen sich aus Resignation absichtlich nicht damit. Insofern können Bücher wie »Mädchen & Institutionen« zur literarischen Völkerverständigung beitragen. Der Text ist ungewöhnlicherweise in Wir-Form geschrieben. Doch das Pronomen hat in der russischen Literatur längst eine totalitarismuskritische Tradition. In Serenkos Ausgestaltung trägt es den Namen »Mädchen«. Ebenjenes Kollektiv hat eine liebevoll-ironische Haltung gegenüber seiner Arbeit in den staatlichen Institutionen: Es veranstaltet Festivals, die es gar nicht gibt, es zaubert Summen aus dem Nichts hervor und lässt sie bei Bedarf wieder verschwinden, es denunziert und lässt sich denunzieren, es tröstet und es trinkt. Schon auf Seite 71 endet dieser ebenso entlarvende wie poetische Text. Die Erzählerin erläutert ihre Textrehaftecherche und erzählt, dass ihr eigenes Angestelltenverhältnis bei den Institutionen ihres Landes endete, als sie wegen »Extremismus« inhaftiert wurde. Es folgt ein Zyklus namens »Ich wünsche Asche meinem Haus«: Diese Textstücke – manchmal Verse – sind primär aus der Ich-Perspektive geschrieben. Das zentrale Narrativ bildet der 15-tägige Gefängnisaufenthalt des Ichs, doch die Komposition unterschiedlicher Zeitformen und Orte wirkt impulsiv und brüchig. Gewalt, auch passive, so verstehen wir, ist tägliche Praxis innerhalb der totalitären Gesellschaft. Immerhin meldet sich aus diesen Aufzeichnungen, gerade weil sie so persönlich wirken, eine Stimme der Humanität. Juliane Zöllner


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