Dirk von Lowtzow: Aus dem Dachsbau

Seit seine Haare grau geworden sind, fühlt sich Dirk von Lowtzow wie ein Dachs. Das schreibt der Tocotronic-Sänger zumindest in seinem ersten Buch »Aus dem Dachsbau«, dessen Cover die Buchstaben ABC hervorheben. Denn »Aus dem Dachsbau« ist keine Biografie, kein Roman, kein Einblick in den Alltag einer Band – auch wenn es von all dem ein paar Spuren enthält –, es ist vielmehr eine Enzyklopädie aus dem Leben des Dirk von Lowtzow in alphabetischer Reihenfolge. Der Dachs hat einen eigenen Eintrag bekommen. Daniel Dachs heißt die Figur, die der Comicfan in Schultagen erfunden hat und die mehrmals im Buch auftaucht. So wie einiges mehrmals erscheint in den literarischen Miniaturen, die von Lowtzows Leben bislang geprägt haben. Der Regisseur Paul Verhoeven zum Beispiel, sprechende Tiere und vor allem sein Kindheits- und Jugendfreund Alexander, der mit 26 Jahren an einem Gehirntumor starb. »Gott sei Dank haben wir beide uns gehabt« spielt von Lowtzow auf seiner Beerdigung. Einer der wenigen konkreten Verweise auf Tocotronic-Songs in diesem Buch. In einem Stilmix aus biografischen Erinnerungen, Fantasyroman-Anleihen, Gedichten, kulturellen Zitaten und philosophischen Gedanken erzählt von Lowtzow von verschiedenen Themen: über sein Lieblingsgetränk Coca Cola oder über Tränen, die er im Kino weint. Über eine Wanderung zum Einstieg der Toten am Rande Berlins oder über eine Plüschtiermanufaktur in Budapest. Über seinen Putzfimmel, Zigaretten auf dem Balkon oder warum er den Idiotentest machen musste. Er erzählt vom Außenseiterdasein als Jugendlicher im Schwarzwald und wie entsetzlich eine Jugendfreizeit mit jungen Menschen aus besseren Kreisen ist. Dirk von Lowtzow schreibt all dies mit Humor, mit großer Belesenheit und immer mit der Melancholie eines Suchenden, der das Surreale für normal erklärt und das Normale für seltsam. Ein Potpourri, das am Ende ein Porträt ergibt. Juliane Streich