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Eduard von Keyserling: Landpartie

Eduard von Keyserling: Landpartie

Eduard von Keyserling: Landpartie. 746 S.

Bisschen viel Revolution und November auf diesen Seiten, wie? Wem das zu proletarisch ist, dem verschafft die Prosa Eduard von Keyserlings einen erholsamen Ennui. Der baltische Graf hat den Schlamassel auch gar nicht mehr miterlebt; bevor die fatale Chose losging, hat er sich im September 1918 verarmt, erblindet und syphilitisch von dieser Welt verabschiedet. Aber Spaß beiseite: Auch zu seinem 100. Todestag verkünden seine Fans wieder einmal, was für eine Lust es sei, in Keyserlings exquisiter Prosa zu schwelgen: Besser als Fontane! – und beklagen, dass er zu Unrecht vergessen sei. Das Schlimme daran ist: Die Leute haben recht. Niemand hat ein schöneres Deutsch geschrieben als der Graf Keyserling. So schön, dass die Story kaum interessiert. Ob in »Schwüle Tage«, »Harmonie« oder »Sentimentale Wandlungen«, stets spielt die Geschichte auf einem adeligen Landgut, stets geht es um eine unerlaubte Liaison. Und stets endet sie tragisch, selbstredend. Dabei überschreitet Keyserling nie die Grenze zum Kitsch, seine Erzählweise ist überaus modern. Aber alles andere ist fürchterlich unzeitgemäß, nicht nur wegen der Baronessen und Schnepfenjagden. Heute muss Literatur hochaktuelle Themen abhandeln: Sexismus, Migration, Nazis; der sprachliche Stil spielt nur eine Nebenrolle. Bei Keyserling ist es umgekehrt. Wer ihn entdecken will, sollte sich den Band »Landpartie« anschaffen. Darin finden sich erstmals alle kürzeren Prosawerke versammelt. Und Himmeldonnerwetter: Das ist besser als Fontane! Olaf Schmidt


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