anzeige
anzeige
Eike Geisel: Die Gleichschaltung der Erinnerung – Kommentare zur Zeit / Samuel Salzborn: Kollektive Unschuld – Die Abwehr d

Eike Geisel: Die Gleichschaltung der Erinnerung – Kommentare zur Zeit / Samuel Salzborn: Kollektive Unschuld – Die Abwehr d

Eike Geisel: Die Gleichschaltung der Erinnerung – Kommentare zur Zeit / Samuel Salzborn: Kollektive Unschuld – Die Abwehr d. 488 S.

»Wir haben aus der Geschichte gelernt«: Diese Position kaschiert oft genug antisemitische Vorstellungen. Das hat der 1997 verstorbene Publizist Eike Geisel zeitlebens scharf kritisiert. Das konnte man im Band »Die Wiedergutwerdung der Deutschen« nachlesen. Ein zweiter Band mit weiteren Zeitkommentaren und historischen Arbeiten ergänzt diese aktuell bleibende Kritik. Geisel zeigt Antisemitismus in der Linken auf und beschreibt, wie die Ehrenrettung der deutschen Vergangenheit schon zwanzig Jahre nach der Befreiung begann. Wie Geschichtspolitik gemacht wird, kann man in der wie gewöhnlich schonungslosen Sprache und klaren Argumentation des Autors nachvollziehen. Besonders für jüngere Generationen ist hier ein Schatz enthalten, aus dem zu erfahren ist, wie Deutschland wurde, was es ist. Die Deutschen klopfen sich gern auf die Schultern, ihre Schuld an Weltkrieg und Massenvernichtung weltmeisterlich bewältigt zu haben. Dass es damit so weit nicht her ist, legt der Historiker Samuel Salzborn – leider nicht immer sprachlich elegant – nahe. Vielmehr habe die deutsche Vergangenheitsbewältigung im Kern immer aus einem Opfermythos bestanden. Die Täterschaft wurde nur auf zweiter Ebene behandelt oder eben geleugnet. So gehört die These der von Hitler verführten Deutschen zur Gründungslegende der Bundes­republik. Und das zieht sich bis in die Gegenwart. So behaupten fast 70 Prozent der Deutschen, dass ihre Vorfahren im Nationalsozialismus nicht unter den Tätern waren, 36 Prozent wähnen sie unter den NS-Opfern. Und fast 30 Prozent behaupten, ihre Vorfahren hätten Opfern potenziell geholfen – in Wahrheit waren es 0,3 Prozent. Solche Geschichten halten Familien zusammen, finden sich aber auch auf der Ebene ­größerer Kollektive. Von bewussten Verdrehungen und Verleugnungen ganz abgesehen. Diesen aktiven Revisionismus-Versuchen kann man aber nur widerstehen, wenn man auch die eigene Familiengeschichte reflektiert: » … dass die eigenen Eltern oder Großeltern Teil der antisemitischen Vernichtungspraxis waren, dass sie konkret die TäterInnen waren, von denen man im Geschichtsunterricht abstrakt gehört hatte«. Tobias Prüwer


Weitere Empfehlungen