Elaine Feeney
Die seltsamste aller Zahlen. Aus dem irischen Englisch von Ulrike Brauns. Hamburg: Harper Collins 2024. 320 S., 24 €
Elaine Feeney.
Emory, ein kleiner Ort an der Westküste Irlands Anfang des 21. Jahrhunderts: Tess Mahon unterrichtet
englische Literatur am Christ’s College, einer weiterführenden Schule. Einer ihrer Schüler ist Jamie O’Neill,
Mathematikgenie mit starker »Fluchttendenz«. Mit Religion kommt er nicht zurecht, er braucht klare, eindeutige Fakten. Diese Einstellung ist schlecht in einer von den Dogmen der katholischen Kirche dominierten Schule. Sein großes Ziel ist die Konstruktion eines Perpetuum mobile.
Die kinderlose Tess passt auch nicht ins Klischee der irischen Mutter, unter anderem daran scheitert ihre Ehe. Tess und Jamie legen Wert auf ihre eigene individuelle Lebensgestaltung und sind nur bedingt bereit, sich anzupassen. Aber sie wird für Jamie zu einer Art Schutzengel, er vertraut ihr. Sie ist für ihn »Orientierung, Ratgeberin«. Als Dritter im Bunde kommt der Werklehrer Tadhg Foley an das College. Er stammt von den Inseln im Westen vor Irland und ist aus der Enge der dortigen Gesellschaft geflohen. Foleys Projekt, ein traditionelles Currach zu bauen, ist für alle eine gemeinsame Aufgabe, die sie zusammenschweißt gegen den Widerstand von Pater Faulks, dem Direktor des Colleges. Das Boot wird an Jamies 14. Geburtstag zu Wasser gelassen und Jamie rudert allein den Fluss hinunter, bis zur Mündung und immer weiter nach Westen, dem mystischen irischen Paradies Tír na nÓg entgegen.
Elaine Feeney schreibt mit wechselnder Erzählperspektive. So werden verschiedene Sichtweisen offenbart,
die dem Roman Vielfalt und erzähltechnischen Reiz verleihen. Das Ende bleibt offen: Wo rudert Jamie hin,
wie geht es mit ihm und den anderen weiter? Eine ansprechende Lektüre, insbesondere für Leserinnen und
Leser mit Sympathie für Irland und seine Charaktere. Joachim Schwend