Elizabeth Wetmore
Wir sind dieser Staub. Roman. Aus dem amerikanischen Englisch von Eva Bonné. Frankfurt/Main: Eichborn 2021. 319 S., 22 €
Elizabeth Wetmore.
»Valentine« heißt Elizabeth Wetmores Debütroman im Original und verweist auf den Tag der Liebenden, den 14. Februar. An diesem Tag im Jahr 1976 wird die 14-jährige Gloria Ramírez in Odessa, Texas von einem Mann brutal vergewaltigt. Körperlich und seelisch zerschlagen schleppt sie sich über eines der sonnenverbrannten, staubigen Ölfelder, die das Leben der Menschen in diesem Landstrich bestimmen. Auf einer abgeschiedenen Farm kommt ihr Mary Rose Whitehead zu Hilfe, die Glorias Peiniger mit einer Winchester und viel Mut vertreibt. »Wir sind dieser Staub« schildert die Tat und ihre Folgen aus weiblicher Perspektive. Der etwa von Debra Ann, einem verwahrlost wirkenden Mädchen, dessen Mutter die Stadt vor einigen Monaten fluchtartig verlassen hat. Oder aus der Sicht der wesentlich älteren Corrine Shepard, die ihren Ehemann
vermisst, der sich – schwer krebskrank – das Leben nahm. Durch die Augen dieser und weiterer Frauen lernt der Leser einen Ort kennen, in dem Liebe nur als Ausnahme existiert. Das System der Ölfelder – die gefährliche Arbeit, das schnelle Geld – fördert Brutalität. Es beutet seine Arbeiter aus; viele von ihnen gehen physisch wie psychisch zugrunde. Die dort herrschende indirekte Gewalt lassen die Männer ganz direkt an den Frauen aus, zu Hause, in der Bar, auf einer einsamen Straße. Elizabeth Wetmore wuchs in Odessa auf, als junge Frau kehrte sie der Stadt den Rücken. In ihrem ersten Roman, geschrieben mit 52, widmet sie sich intensiv dem Ort ihrer Herkunft – mit Figuren, die vom Schmerz getrieben sind, und einer Landschaft, deren Versehrtheit diesen Schmerz widerspiegelt. Andrea Kathrin Kraus