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Feridun Zaimoglu: Die Geschichte der Frau

Feridun Zaimoglu: Die Geschichte der Frau

Feridun Zaimoglu: Die Geschichte der Frau. 396 S.

»Sind Sie verrückt geworden, Herr Zaimoglu?«, fragt Moderator Carsten Tesch in der MDR-Sendung »Gut geschrieben, gern gelesen – die Nominierten zum Preis der Leipziger Buchmesse« gleich zu Beginn. Das Publikum lacht. In seinem neuen Roman will er zehn Frauen eine Stimme geben, denen die Geschichte bislang kein Gehör schenke, von Zippora bis Valerie Solanas. »Es spricht die Frau. Es beginnt«, kündet es biblisch. Reinlegen will man sich sofort in diese Zeilen, in diese Sprache, die sich nicht scheut, sich aufzublasen und in Erscheinung zu treten. Und dann beginnt es – und zwar mit Moses. »Moses, von Gott gesandt« – Zippora spricht nur von oder mit ihrem Mann (und zwar über die ersten vierzig Seiten). Kaum ist man mit Moses durch, kommt er: »Hagen, schwarz gebüschelt die Arme, steht maulrümpfig an der Bahre.« So beschreibt Brunhild den Mörder Siegfrieds. Von Kapitel zu Kapitel wird da die schönste Sprache aufgefahren, die sich immer vor die Frauen schiebt, von denen sie angeblich gesprochen wird. Aber hinter dieser Sprache stehen nicht die Frauen, die Zaimoglu gewählt hat. Er ist es selbst, der grandiose Schriftsteller, mit tausend Masken für nur ein Gesicht. Um die »Geschichte der Frau« zu erzählen, reicht es aber nicht, Geschichten von Frauen erzählen zu lassen. Sie müssen ihre eigenen Geschichten erzählen, nicht die der Männer, auch wenn es Männer waren, deren Leben (angeblich) so unglaublich gewesen sind, dass es schwer vorstellbar scheint, dass die Frauen von etwas anderem berichten könnten als ihnen. Die »Geschichte der Frau« kann nicht nur ein Wechsel der Perspektive sein. Und auch kein »WIR BLUTEN JEDEN MONAT. SIE BLUTEN, WENN SIE STERBEN.« Sie muss ein Wechsel des Fokus sein – weg vom Mann, hin zum Leben. Und das ist weder verrückt noch unmöglich. Linn Penelope Micklitz


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