Fiston Mwanza Mujila
Kasala für meinen Kaku & andere Gedichte. Klagenfurt: Ritter 2022. 250 S., 23 €
Fiston Mwanza Mujila.
Es wird gestorben, verstümmelt, gemordet und immer wieder gehofft in Fiston Mwanza Mujilas gut gesättigten Gedichten. Nachdem er ins Exil nach Europa ging, wurde er eine schreibende Stimme seines Geburtslandes Kongo. Das ist Privileg und Bürde gleichermaßen für ihn, der in vielen Kulturen zu Hause ist, vielleicht in keiner ganz — aber das kann für einen, der mit Sprache arbeitet, auch von Vorteil sein. Bereits der Titel des Buches, »Kasala für meinen Kaku und andere Gedichte«, eröffnet Sprachräume: Kasala bedeutet in Tschiluba, einer Sprache aus dem Südosten des Kongo, Anrufung oder Lobpreisung, und die Kaku ist die Urgroßmutter des Autors. Weil die Kaku in den Erzählungen der Region bis dahin immer männlich konnotiert war, kam dem kleinen Mujila die Urgroßmutter vor wie ein Mann. »Während ich das ihr gewidmete Gedicht komponierte, habe ich ganz bewusst beschlossen, mit dieser Zweideutigkeit zu spielen«, lesen wir am Ende des zweisprachigen Bandes im erhellenden Interview mit dem Autor. Leider ist das Buch nicht in Deutsch/Tschiluba, sondern in Deutsch/Französisch erschienen. Tschiluba hätte uns beim Lesen womöglich durch den Klang betört, uns einen erweiterten Zugang zu seinen Gedichten eröffnet. Doch auch in ihrer deutschen Übertragung sind die Gedichte ein großes, zuweilen im besten Sinne verstörendes Leseereignis, weil es Mujila gelingt, uns in eine ekstatische Welt zu führen, in der »jeder in seinem Winkel / die Kiefer zerschmettert / die Hosen voll« hat. Mujila beschwört historische Ereignisse herauf und spielt auf Begebenheiten in seiner kongolesischen Familie an. Er bezeichnet sich als »Verfechter der Opazität«, der Undurchsichtigkeit, und schafft damit freie Sicht auf Sprache und Geschichte. Frank Willmann