Frank Kreisler
Wand an Wand mit einer Leiche. True Crime Leipzig. Mit Fotografien von Christiane Eisler. Halle: Mitteldeutscher Verlag 2022. 173 S., 14 €
Frank Kreisler.
Die nicht ganz so blühenden Landschaften der ostdeutschen Nachwendezeit sind ein gut beackertes Feld. Die kurze Freiheit, in der man träumen konnte, verwandelte sich in den ultimativen Abfuck: Treuhandtrauma und Massenarbeitslosigkeit, sterbende Städte, Alk, Frust, faschistische Pogrome und Baseballschlägerjahre und der arrogante Hochmut der »Besser-Wessis«. Frank Kreislers Reportagen über authentische Kriminal- und Gerichtsfälle im Leipzig der frühen Neunziger atmen in allen Details die allgemeine Depression der Zeit. Da ist ein Vermieter aus Aschaffenburg, der ein Haus Luxus-sanieren will und mit Hilfe eines Leipziger Privatdetektivs den hartnäckigen Bleibewillen der letzten Mietpartei durch drei Schlägertypen zertrümmern lässt, die nachts einbrechen, die Wohnung verwüsten und die Geschädigten schwer verletzen und ausrauben. Da sind immer wieder Geschichten von Arbeitslosen, Vorbestraften und Gescheiterten im Dauersuff. Von Frauen, die von Männern brutal misshandelt werden, so wie Juliane Schwarzer, die ihr Lebensgefährte 1994 in der Demmeringstraße aus dem Fenster warf. Und da ist der Selbstbetrug, wie der des Anti-Helden der Titelstory, gefangen im unauflösbaren Widerspruch von der glitzernden Welt des Erfolgs zu den kümmerlichen Möglichkeiten der grauen Realität. »Doch irgendwann fiel der berühmte Tropfen in das Fass, der es zum Überlaufen brachte.« Den recht kurz gehaltenen Texten, die das Verbrechen, seine Motivlage, die Ermittlung und das juristische
Verfahren umreißen, hätte an einigen Stellen durchaus mehr Ausführlichkeit gutgetan. Auch wirkt
der literarische Stil mit seinem übermäßigen Einsatz von umgangssprachlichen Redewendungen, die sich teilweise wie aus einer Boulevardzeitung der geschilderten Zeit lesen, ein bisschen befremdlich. Aber für Fans des Genres vielleicht nicht. Thorsten Bürgermann