anzeige
anzeige
Gerhard Weber

Gerhard Weber

Wider die Zensur des Geldes - »Im Land der Mulde« versammelt Gerhard Webers Fotografien aus dem Leipziger Umland

Gerhard Weber. 184 S.

Zwölf Jahre lang war Gerhard Weber Woche für Woche im Leipziger Umland unterwegs: Nach seinem Studium an der Hochschule für Grafik und Buchkunst arbeitete der gebürtige Berliner und ehemalige Kulturhausleiter als Fotoreporter der LVZ-Lokalredaktionen Grimma und Wurzen. Eine Vielzahl dieser Stippvisiten in den Muldedörfern findet sich nun in dem Fotoband »Im Land der Mulde« wieder, der das Schaffen von vier Jahrzehnten widerspiegelt.Die Auswahl ist - wie in allen Bänden der Reihe »Bilder und Zeiten«, die der verdienstvolle Leipziger Lehmstedt Verlag herausbringt - in Schwarz-Weiß gehalten und hat nichts vom tourismusheischenden Glanz oder, wie Weber es nannte, von der »Zensur des Geldes«. Neben den Momentaufnahmen beeindrucken die an August Sander geschulten Einzelporträts. Sie zählen zusammen mit den Bildern der Flutkatastrophe im Jahr 2002 zu den stärksten Aufnahmen des Bandes. Die Höhepunkte der Sammlung bilden jedoch jene Fotografien, die über das Dokumentarische hinausgehen. Von besonderer Brisanz ist beispielsweise die »Vereidigung von Wehrpflichtigen der Nationalen Volksarmee«: Eine Frau, vermutlich die Mutter eines Rekruten, unterdrückt einen Schmerzensschrei, in der Hand hält sie einen Blumenstrauß, als stünde sie vor einem Grab. Ebenso beispielhaft ist das Foto von der Sichtwerbung im »Papier- und Zellstoffwerk Trebsen«, das zeigt, wie beim Anbringen eines Banners hinter dem Rücken des Hochglanz-Lenins unfreiwillig der Hitlergruß ins Bild gerät. In solchen Moment atmen Webers Fotografien deutsche Geschichte pur.Bestimmt wird die Auswahl durch Auszüge aus Gerhard Webers Fotoserien »Die Leute im Dorf Erlln« (1986) und »Colditzer Familienporträts« (1990), wobei Erstere mit bester französischer Reportagefotografie vergleichbar ist. Eine Besonderheit der Sammlung bilden jene Aufnahmen, bei denen sich das grafische Bild anhand des Lichteinfalls und der Struktur der Materie ergibt. Und kommen zudem Abbildung und Atmosphäre zusammen, wie beim Porträt einer alten Frau mit dem Titel »Erlln«, zeigt sich Weber als großer Fotokünstler seiner Zeit. Ralph Grüneberger


Weitere Empfehlungen