Zuletzt noch mit Jan Böhmermann auf Konzertreise, hat die in der siegerländischen Provinz geborene und als »Schwester Ewald« auf Twitter bekannt gewordene Autorin Giulia Becker nun ihren Debütroman vorgelegt. In »Das Leben ist eins der Härtesten« zeigt die Kölnerin humoristisches Feingefühl und einen über Treppenwitze hinausgehenden Verstand für die Dramaturgie des Alltags.
Im Zentrum der Handlung stehen vier Figuren, die das Leben nicht besser schreiben könnte: die höchstverschuldete und von der Justiz klein gehaltene Silke, der von der Gnade seines Arbeitgebers abhängige Willy-Martin, die von osteuropäischen Heiratsschwindlern ausgenutzte Renate und die gefühlt sterbenskranke Frau Goebel. Letztere hat sich in den Kopf gesetzt, noch ein letztes Abenteuer zu erleben, und nimmt hierfür ihre wahlverwandte Pflegerin Silke mitsamt ihren beiden Freunden in Sippenhaft. Frau Goebel will die Tropen sehen, das Meer und Papageien – und zwar in Brandenburg. Vor Peinlichkeit fast vergessen, wird ausgerechnet der Deutschen elftbeliebteste Sehenswürdigkeit zum zentralen Dreh- und Wendepunkt des Romans: Tropical Islands. Kaum angekommen im Südseesurrogat überwerfen sich alle vier, werden vor die Tür gesetzt und müssen, zurück in der münsterländischen Kleinstadttristesse von Borken, wieder zueinanderfinden.
Die absurden Situationen beschreibt Becker in einer Sprache, die stets zwischen Retortenwitz und Tragikomödie mäandert. Die unterschiedlichen Stimmen und Rückblenden halten den Roman auf Trab, bis schließlich ein unverhoffter Deus ex Machina ein schnelles Ende bereitet. Weglegen fällt bis dahin schwer. Verdient hat Becker hierfür im März den Debütpreis der Lit.Cologne 2019 gewonnen und sich endgültig von ihrer Rolle als Böhmermanns Witzeschreiberin emanzipiert. Marcel Hartwig