Haruki Murakami
Die Stadt und ihre ungewisse Mauer. Aus dem Japanischen von Ursula Gräfe. Köln: Dumont 2024. 640 S., 34 €
Haruki Murakami.
Der wohl bekannteste lebende japanische Autor hat die Isolation, Ungewissheit und Ängste der
Corona-Pandemie genutzt, um eine frühe Erzählung neu zu bearbeiten und deren Handlung zu erweitern. »Die Stadt und ihre ungewisse Mauer« nimmt dabei zahlreiche Motive des 1985 erschienenen Romans »Hard-Boiled Wonderland und das Ende der Welt« auf, um sie in anderen Zusammenhängen neu zu erzählen. Angelegt als Triptychon einer unschuldigen Teenager-Liebe, bei der die Geliebte eines Tages spurlos verschwindet, der übersinnlichen Begegnungen desselben Erzählers als Bibliothekar mittleren Alters in einer abgelegenen Provinzstadt und seiner finalen Rückblende in die geheimnisvolle Stadt, führt Murakamis magischer Realismus an einsame Orte, in rätselhafte Parallelwelten und zu lebensfernen Charakteren.
Das anhaltende Gefühl der Leere nach dem abrupten Verlust der Geliebten zieht sich dabei ebenso durch den Roman wie die Suche nach dem Ort der inneren Ruhe auf einer anderen Seite, zu der man vielleicht durch Bibliotheken gelangen kann. Ob die künstlerische Bearbeitung dieser nicht gerade neuen Themen gelungen ist? Nun, die Handlung läuft sicher an der einen oder anderen Stelle Gefahr, ins Kitschige abzudriften, und beim flott wegzulesenden Stil stellt sich
durch zu viele, teilweise sperrige und erzähltechnisch eher unlogische Einschübe eine gewisse Ambivalenz im Narrativen ein. Thorsten Bürgermann