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Heike Geißler

Heike Geißler

Arbeiten. Berlin: Hanser 2025. 128 S., 20 €

Heike Geißler.

Die weltweite Ungleichheit wird immer größer: Reiche werden immer reicher und Arme immer ärmer. Das Märchen dazu lautet: Wer sich genügend anstrengt, kann alles erreichen. Der Kapitalismus serviert uns die Lüge, dass die Arbeitswelt für uns alle das Gleiche bereithält, und das hat Heike Geißler satt. In ihrem Essay »Arbeiten« beschäftigt sich Geißler mit der Frage: Was ist ein Mensch wert? Und: Warum scheint Arbeit diesen Wert zu bestimmen? Geißlers Analyse zeigt, was in unserer Leistungsgesellschaft zählt und was unbemerkt bleibt. Dabei unterscheidet sie zwischen materieller und unsichtbarer Arbeit: zum Beispiel Sorgearbeit. Ähnlich wie in ihrem Essay »Verzweiflungen« (Suhrkamp 2025) greift Geißler zu einem poetischen Ton, gepaart mit persönlichen Anekdoten und Beobachtungen, ergänzt durch Zitate anderer Schriftstellerinnen und Schriftsteller. So versucht die Autorin, ihre Gedanken zu sortieren. Den Begriff der Arbeit weitet sie allerdings so stark aus, dass fast jede Tätigkeit als Arbeit verstanden werden kann. Geißler möchte die Kraft wertschätzen, die in die Dinge fließt, die finanziell nicht entlohnt werden. Sie beobachtet die Menschen in ihrer Umgebung, macht ihre kranke Freundin zur Arbeiterin der Selbstfürsorge und die obdachlose Frau zur beruflichen Pfandflaschensammlerin. Aber wenn alles Arbeit ist, wird Arbeit dann zu allem und nichts? Was bleibt noch von der politischen Kraft des Begriffs? Immer wieder gelangt Geißler zu dem einen Punkt: Sie will die Arbeitswelt abschaffen, denn diese ist ausbeuterisch und macht die Menschen krank. Den Frust und die Verzweiflung kauft man Geißler auch in dieser Schrift ab. Erneut verendet der Kampf aber in der Theorie, der schriftlichen Anklage. Es bleiben eine müde Schriftstellerin und eine bedrückte Leserin. Nastasja Kowalewski


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