anzeige
anzeige
Joachim Walther

Joachim Walther

Roman der Sprachlosigkeit

Joachim Walther. 279 S.

Nein, auch Joachim Walthers »Himmelsbrück« ist nicht der so oft (und unsinnig) ersehnte Wenderoman. Vielleicht ist er immerhin einer über »die Zeit davor«, ein hintertüriger Weg der Annäherung an die Geschichte:In der zweiten Hälfte der 80er Jahre verlieben sich die Pflegerin Ria und der Galerist Michael heftig ineinander. Sie entfliehen dem politischen Alltag der DDR ins ländliche Idyll, nach Himmelsbrück, um dort ihr Glück zu finden und zu schützen. Aber der Einbruch der Vergangenheiten, die Ria und Michael in ihre Beziehung hineintragen, lässt sich weder durch kunstvolle Liebesrituale noch durch die Ereignisse von 1989 aufhalten. Aus allen Liebesbekundungen werden Fallen, die zu einer chaotischen und qualvollen Zersetzung einer Beziehung führen. Lange steht man vor dieser Implosion einer Liebe, die Walthers tonlose, oft bescheiden sich zurücknehmende Sprache nur weiterzureichen scheint, und begreift das vom Autor sorgfältig beobachtete Zerstörungsspiel nicht - bis man merkt, dass auch hier die Räder der Geschichte weiter rotiert sind. Walthers erzählerischer Realismus bleibt in »Himmelsbrück« nämlich die meisten Antworten schuldig. In Konjunktiven und indirekten Reden drückt er sich um Positionierungen herum. Spätestens, wenn Brief- und Tagebuchlektüren unnötig häufig in den Text hineinfließen, degeneriert er zu einer psychologischen Mechanik, die das Lebendige der Liebe nicht zu fassen bekommt. Selbst als Metapher für die Auflösung des sie umgebenden Staates ist das einfach zu weit hergeholt. »Himmelsbrück« ist ein Roman der Sprachlosigkeit über ein zerbrochenes Idyll. Kein Wenderoman, leider aber auch keiner über die Liebe in Zeiten politischer Ödnis, kein Roman, der die Brücke zwischen persönlichen und gesellschaftlichen Sphären über die volle Distanz zu spannen vermag. Daniel Jurisch


Weitere Empfehlungen