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Johanna Schwedes: Der Asphalt klingelt, ich geh ran

Johanna Schwedes: Der Asphalt klingelt, ich geh ran

Johanna Schwedes: Der Asphalt klingelt, ich geh ran. 58 S.

Manchmal brennt sich beim Lesen ein Bild derart ins Gedächtnis, dass es nicht mehr aus dem Kopf will; wie diese Hand, die sich auf den Mund legt – aber von innen. Es ein Bild für eine tiefe Traurigkeit, denn dieselbe Hand kappt auch die Verbindung zwischen dem Blick und den Dingen, und was im Innern ist, fällt in sich zusammen wie eine geschnittene Blume. Traurig sind viele der in diesem Band versammelten Gedichte, distanziert, entfremdet von der Welt, aber stets gewinnen sie dem Unglück auch Humor ab. So zeigt das Cover von Johanna Schwedes’ zweitem Gedichtband eine Hausfassade mit Fenstern, die nur zur Hälfte dunkel sind, die andere Hälfte ist beleuchtet. Denn in ihrer Lakonie halten die Gedichte stets die Waage, und die Verzweiflung hält auch immer wieder Überraschendes, Fröhliches bereit. Da verwandelt sich eine Zunge beim Küssen in eine Handvoll Sand, der Mond in ein glotzendes Kuhauge und das Herz pumpt, als wollte es einen Luftballon aufpusten. Bierflaschen treiben wie Enten im Teich. Es gibt vierblättrige Marienkäfer und eine Stimmung zwischen Erdbeersekt und halbausgefülltem Weiterbewilligungsantrag. Auch die Liebesgedichte sind halb voll, nur der Trailer vom Frühling, in denen die Zungenspitze im Hals immerfort dem andern auf die Zündholzschachtelreibefläche tippt, lange erfolglos, aber dann faucht doch die Flamme. »am Ende sind wir, Du früher, ich später / ein Wohlklang im Bauch der Erde und zufriedener / vielleicht / als ein Teller Gulasch mit Klößen«. So viel Glück ist selten. Im titelgebenden Gedicht rutscht das Ich winters auf der spiegelglatten Straße aus. Das kann schmerzhaft sein und ärgerlich, oder auch lustig, wenn man alles ein bisschen anders beschreibt: »Der Asphalt klingelt, ich geh ran.« Maja-Maria Becker


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