Katharina Bendixen
Taras Augen. München: Mixtvision 2022. 384 S., 17 €
Katharina Bendixen.
Die Leipziger Autorin Katharina Bendixen hat einen gesellschaftskritischen Jugendroman veröffentlicht, der in den Verwirrungen zwischen zwei Teenagern eine mitreißende Geschichte über Freundschaft und Liebe, Angst und Vertrauen, Scham und Eskapismus, Herrschaft und Widerstand entfaltet. Zusammen aufgewachsen, hatten sie schon immer eine besondere
Beziehung zueinander, als Alun aus Missverständnis und Eifersucht Tara zutiefst kränkte und der Kontakt abbrach, bevor ihre Liebe richtig aufgehen konnte, weil ein Chemiewerk in der Nähe explodierte und die beiden Nachbarn trennte. Seitdem lebt Alun in einer Großtstadt und schämt sich für das, was er Tara angetan hat. Während er in Gedanken an sie Streetartfliesen mit ihren Augen klebt, liefert er sich ein Katz-und-Maus-Spiel mit dem totalitären Überwachungssystem.
»Verschwinden kann jeder, der vom Verschwinden redet, und die Securities, die dieses Verschwinden organisieren, sitzen drei Schritte von mir entfernt. Aber wissen diese Securities überhaupt, was in der Gelben Zone abgeht?« Weil das Ausmaß des GAUs vertuscht wird und finanzielle Not ihre Familie dazu zwang, ist Tara »freiwillig« zu ihrem alten Zuhause in die »Gelbe
Zone« zurückgekehrt. Während sie schwer an der kontaminierten Umwelt erkrankt, beginnt sie Alun zu verzeihen. Die zärtliche Wiederannäherung der beiden wird durch die geschickte Montage wechselnder Perspektiven mit Cliffhangern, räumlichen Sprüngen und elliptischen Auslassungen durchweg spannend erzählt. Ihr feines Gespür für Charaktere stellt Bendixen dabei ebenso in der Zeichnung der Freunde unter Beweis, an deren Seite das getrennte Paar dramatische Entwicklungen durchlebt. »Taras Augen« ist jedoch nicht zuletzt deshalb ein großes und wichtiges Jugendbuch, weil es sehr anschaulich das Dystopische in unserer realen Gegenwart aufzeigt und somit zum kritischen Denken anregt. Thorsten Bürgermann